© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

Umwelt
Eber Eber sein lassen
Paul Leonhard

Tierschützer sind eine Macht, die Ministerialbürokratie die andere. Zwischen beide sind jene Ökobauern geraten, die Schweine züchten. Diesen verbietet ab 1. September eine neue EU-Verordnung die Immunokastration, eine praktisch schmerzfreie Methode zur Kastration per Impfung. Rund 20 Millionen männlicher Ferkel werden so in Deutschland zu Borg – kastrierten Ebern – gemacht, die meisten davon per Skalpell. Hauptgrund ist der unangenehme Geruch und Geschmack, den Eberfleisch haben kann. Der Anteil der geruchsauffälligen Tiere liegt zwar lediglich bei fünf Prozent, aber ist für die Fleischbranche trotzdem zu hoch. Die Impfung gegen Ebergeruch, welche die Geschlechtsreifung verhindert, stehe aber „nicht im Einklang mit den Regeln zur Zertifikation organischer Produkte“, warnt die Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau. Damit können konventionelle Züchter das Verfahren anwenden, Biobauern müssen chirurgisch kastrieren – oder die Schweinezucht ganz einzustellen.

Ein Mastschwein bringt für viele Züchter nur noch einen Gewinn von fünf bis zehn Euro.

Ferkel dürfen aber nicht mehr ohne Vollnarkose kastriert werden. Narkosegeräte kosten aber zwischen 3.000 und 10.000 Euro, während ein Mastschwein für den Züchter einen Gewinn zwischen fünf und zehn Euro abwirft. Ein massives Sterben vieler kleiner Betriebe befürchtet daher der Bayerische Bauernverband. Der Vorwurf an die Politik lautet: Sie fördere auf diese Weise die Massentierhaltung. In Frankreich, wo es ähnliche Probleme gibt, erwägt ein Großteil der Schweinehalter, ab 2022 aus der Kastration ganz aussteigen und Ferkel wieder Eber werden zu lassen. „Stinker“ sollen dann im Schlachthof aussortiert werden. Die meisten Bundesländer haben die Vorgaben aus Brüssel umgesetzt, nur Niedersachsen und das Saarland leisten noch Widerstand. Befürchtet wird nun ein deutschlandweiter Einbruch bei Schweinefleisch aus ökologischer Landwirtschaft.