© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Im Visier
Kommando Spezialkräfte: Weitere juristische Niederlage für die Bundeswehrführung im Streit um die Entlassung eines Offiziers / Brisante Eingabe an die Wehrbeauftragte
Christian Vollradt

Sollten Teile der politischen Führung der Bundeswehr tatsächlich so etwas wie einen Feldzug gegen Angehörige des Kommandos Spezialkräfte (KSK) führen, dann mußten sie gerade eine neuerliche Niederlage einstecken. Nachdem bereits im Juni die Entscheidung des Truppendienstgerichts bekannt wurde, mit der die Suspendierung eines Stabsoffiziers für Unrecht erklärt wurde (JF 26/20), entschied nun auch das Verwaltungsgericht Sigmaringen zugunsten des betroffenen Oberstleutnants. Die Gründe, die das Personalamt der Bundeswehr angeführt hatte, reichten nach Meinung der Richter nicht aus, den Berufssoldaten nach über 30 Dienstjahren einfach so zu entlassen. Indem sie seinem Eilantrag stattgaben, erhält der Offizier und frühere Leiter der Kommandoausbildung, dem Ende Januar vergangenen Jahres vom Kommandeur der Division Schnelle Kräfte die Ausübung des Dienstes und das Tragen der Uniform verboten worden war, mittlerweile rückwirkend wieder sämtliche Bezüge. 

Während der Fall seinerzeit (JF 8/19) überregional für alarmistische Schlagzeilen („’Reichsbürger’-Verdacht – Bundeswehr suspendiert Elitesoldaten“) gesorgt hatte, gerät der juristische Erfolg des ganz offensichtlich zu Unrecht so dargestellten Oberstleutnants nun bloß noch zur Randnotiz. Obwohl das Verteidigungsministerium nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bereits Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eingelegt hat, scheinen die Chancen für den KSK-Offizier nicht schlecht zu stehen, daß er auch im Hauptsacheverfahren erfolgreich ist. 

Auf einem juristischen Nebenkriegsschauplatz könnte es zudem für das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) ungemütlich werden. Denn nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT gehen mehrere Soldaten mit Unterlassungsklagen gegen den Nachrichtendienst vor. Ihr Vorwurf: MAD-Mitarbeiter hätten unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Hintergrund ist, daß der Abschirmdienst keine Vernehmungen vornimmt, wie etwa die Polizei, an deren Ende dem Vernommenen ein Protokoll seiner Aussagen vorgelegt wird. Beim MAD gibt es dagegen eine Befragung; über die wird kein zu unterschreibendes Protokoll angefertigt, sondern ein Bericht – und den unterzeichnen lediglich die MAD-Mitarbeiter. 

Weniger Glück hatte dagegen ein anderer Oberstleutnant des Kommandos. Der Soldat, der mehr als ein halbes Dutzend mal im Einsatz war, wurde anonym denunziert – und daraufhin umgehend aus dem KSK herausgenommen, auf eine Stelle „zur besonderen Verwendung“ in ein anderes Bundesland versetzt und zunächst in den Urlaub geschickt. Der Vorwurf: Er solle sich während eines Einsatzes in Afghanistan abfällig über Afghanen geäußert haben. 

Völlig überzogen sei diese Sanktion, die Folgen solch einer Vorgehensweise bewerten Insider als fatal: Mißtrauen im Kameradenkreis, also ausgerechnet dort, wo sich die Elitekämpfer blind aufeinander verlassen müssen. Was bleibe da noch vom Einsatzwert des Kommandos, fragt sich da mancher. 

Entlassen will die Bundeswehrführung außerdem einen ehemaligen KSK-Offizier. Der Oberstleutnant war 2017  wegen einer aus dem Ruder gelaufenen Abschiedsfeier in die Schlagzeilen geraten. Doch am Ende blieb außer dem Vorwurf eines alkoholischen Exzesses innerhalb einer Bundeswehr-Liegenschaft  und dem Werfen von Schweineköpfen  durch einige Teilnehmer nicht viel übrig. Unappetitlich, aber alles im Rahmen dessen, was mit einer niedrigen Disziplinarstrafe abzugelten wäre. Von den vermeintlich gezeigten Hitlergrüßen, die eine Zeugin zunächst gesehen haben wollte, blieb im Lauf der Zeit nichts übrig. Einen Strafbefehl hatte der Offizier nach Absprache mit Bundeswehrjuristen akzeptiert, um seinen Männern eine Aussage vor Gericht – ohne Identitätsschutz – zu ersparen. Damit war kein Schuldeingeständnis verbunden. 

Doch diese Absprache scheint offenbar seitens der Bundeswehrführung obsolet zu sein. Daher hat sich der Oberstleutnant seinerseits mit einer Eingabe an die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD) gewandt. Darin verweist er unter anderem auf die Umstände der Feier. „An diesem Abend wußte jeder, daß sich die gemeinsame intensive Zeit mit den zahllosen, schrecklichen Kriegserlebnissen im Laufe der Einsatzjahre in Afghanistan dem Ende nähert“, heißt es laut dpa in dem Schreiben. 2013 habe die von ihm im Einsatz geführte 2. Kompanie – also jene nun aufgelöste Einheit (JF 29/20) – einen Gefallenen zu beklagen gehabt. Gerade dieser Schicksalsschlag wiederum hatte dem nun vor dem Karriere-Aus stehenden Offizier hohes Ansehen in der Truppe verschafft, da er den schwer verwundeten Hauptfeldwebel eigenhändig und allein aus dem feindlichen Feuer geholt hatte.

Verteidigungsausschuß dringt auf Aufklärung

In der Eingabe an die Wehrbeauftragte schildert der Oberstleutnant zudem zahlreiche Mißstände aus diesem Einsatz: Angriffe afghanischer Truppen auf die Bundeswehr, außerdem sei man bei den einheimischen Partnern auf Fälle von Korruption, Kriegsverbrechen, ja sogar Kindesmißbrauch gestoßen. 

Aus Kreisen des KSK werden solche Berichte bestätigt. Man habe den afghanischen Kräften, die von den Männern des Kommandos ausgebildet wurden, „außerhalb des Compounds nicht über den Weg getraut“, schildert ein Soldat.

Im Verteidigungsauschuß nimmt man die Vorwürfe offenbar ernst und dringt auf Aufklärung. Besonders heikel ist der Vorwurf, daß dies alles seitens der Soldaten vor Ort unmittelbar nach Bekanntwerden nach oben ins Einsatzführungskommando gemeldet wurde. 

Dringen weitere Details aus dem Schreiben, die aktuell als Verschlußsache behandelt werden, an die Öffentlichkeit, dürfte die nächste Abstimmung über eine Verlängerung des Afghanistan-Mandats im Bundestag spannend werden.