© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Ampelmännchen
FDP: Nach der Entmachtung der bisherigen Generalsekretärin setzt Parteichef Lindner auf einen Kandidaten, der Regierungserfahrung mit SPD und Grünen hat
Jörg Kürschner

Mitunter kommt Politik unversöhnlich daher. Dann gilt die alte Lebensweisheit: „Feind, Todfeind, Parteifreund.“ So war Parteifreundin Linda Teuteberg, vor gut einem Jahr unter lautem Parteitagsjubel zur Generalsekretärin gekürt, nicht zugegen, als sie kürzlich von FDP-Chef Christian Lindner auf einem Pressetermin kalt abserviert wurde. Im Hans-Dietrich-Genscher-Haus, der Parteizentrale, stellte er Teutebergs Nachfolger Volker Wissing vor, derzeit Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz. „Die Themen im Land haben sich verändert, also ändert sich auch die Aufstellung der FDP“, begründete Lindner den Wechsel. Teuteberg werde „ein starker Teil unseres Teams“ bleiben, doch brauche er „mehr Hilfe und Unterstützung“. Das hatte gesessen.

Kein Wort des Dankes oder der Anerkennung für die 39jährige Rechtsanwältin aus Brandenburg. Teuteberg reagierte verärgert, revanchierte sich mit einer deutlichen Presseerklärung. „Um das Amt der Generalsekretärin erfolgreich für die Partei ausüben zu können, ist neben der demokratischen Legitimation durch den Bundesparteitag auch der Rückhalt und das Vertrauen des Vorsitzenden erforderlich. Ich nehme zur Kenntnis, daß der Vorsitzende nun erklärt hat, mit mir in der Position als Generalsekretärin der FDP nicht zusammenarbeiten zu wollen und heute einen neuen Generalsekretär vorzuschlagen“.

Die Kritik, Teuteberg sei zu „verkopft“, eben keine „Rampensau“, die ihre Zuhörer von den Stühlen reißt – was bei ihrer Wahl bekannt war –, tat angesichts dauerhaft schlechter Umfragewerte zwischen fünf und sieben Prozent ein Übriges, um sie ins Aus zu befördern. Nun soll es der Wirtschafts-Fachmann Wissing richten, West-Mann statt Ost-Frau. Die Vita des promovierten Juristen kann sich im Politiker-Vergleich sehen lassen: Staatsanwalt, Richter, Rechtsanwalt, Vize-Ministerpräsident. Als Bundestagsabgeordneter (2004 – 2013) gehörte der 50jährige dem Schaumburger Kreis an, einem informellen Zusammenschluß des liberal-konservativen Wirtschaftsflügels der FDP. 

Bei Facharbeitern auf Stimmenfang gehen

In der Opposition brachte der eloquente Finanzexperte Ressortchef Peer Steinbrück (SPD) mit seinen detaillierten Anfragen so manches Mal ins Schwitzen. In den Koalitionsverhandlungen mit der Union gelang es ihm aber nicht, Parteichef Guido Westerwelle auf das Wahlversprechen Steuersenkungen festzunageln. Bald nach dem Wahlerfolg 2009 mit sensationellen 14,6 Prozent äußerte er die Befürchtung, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könne seine Partei ebenso „schreddern“ wie zuvor die SPD. Wissing sollte recht behalten, nach vier Jahren flog die FDP (erstmals) aus dem Bundestag.

So mögen sich Wissings freundliche Worte in Richtung SPD und Kanzlerkandidat Olaf Scholz erklären, dessen Nominierung er als „deutliches Zeichen an die politische Mitte“ wertete. „Die CDU nach so langer Zeit abzulösen könnte ein wichtiges Signal des Aufbruchs für unser Land sein“. Wissing, der seit 2016 geräuschlos in Mainz mit SPD und Grünen regiert, ein Ampelmann? Inhaltliche Differenzen und die Umfrageergebnisse sprechen gegen ein solches Bündnis.

Vielmehr will die neu aufgestellte FDP der SPD bei der Bundestagswahl 2021 Stimmen von Facharbeitern und Angestellten abjagen. So hatte es Lindner zu Jahresbeginn auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart angekündigt, als er stolz das neue Parteimitglied Harald Christ vorstellte. Der Unternehmer und bekennende Sozialliberale war 31 Jahre Mitglied der SPD, trat Ende vergangenen Jahres wegen des Linkskurses aus. 

Jetzt soll der Newcomer in der Schlüsselposition des Bundesschatzmeisters die Nachfolge vom altgedienten Hermann Otto Solms antreten. Wahlkampf kann der einstige Mittelstandsbeauftragte der SPD. 2009 war er im Team von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier als Wirtschaftsminister nominiert. Anders als beim abgesagten Jamaika-Bündnis 2017 gilt für 2021: „Wir wollen im nächsten Jahr erfolgreich in eine Bundesregierung einziehen“, so die klare Ansage Wissings, der wie Christ auf dem Parteitag am 19. September bestätigt werden dürfte.