© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Mit dem Großvater die Herzen treffen
Spanien: Pablo Casado will den konservativen Partido Popular (PP) wieder an die Spitze bringen
Jonas Vriesen

Pablo Casado, Präsident der spanischen Partei Partido Popular (PP) twittert gern. So auch am 26. Juli: „Unsere Vorfahren sind die Generation, die uns alles gegeben hat, sie hat die Demokratie konstruiert, sie hat uns den Wohlfahrtsstaat hinterlassen, und sie hat ihre Pensionen mit ihren Nachkommen während der Krise geteilt. Unserer Generation obliegt es, uns um sie zu kümmern und sie zu beschützen. Froher Tag der Großväter!“ Darunter lächelt er mit seinem Großvater Arm in Arm in die Kamera.

Doch der 39jährige ist umstritten. Im Januar 2019 hatte der PP in Andalusien erstmals einen Pakt mit der rechten Vox geschlossen und damit national und international für Empörung gesorgt. „Das schafft ein Problem für ganz Spanien“, warnte Manuel Valls, der ehemalige französische Ministerpräsident. Das Bündnis der PP mit Vox könnte schließlich eine Blaupause für andere Regionen oder auf nationaler Ebene darstellen.

Umstrittene Kooperation mit der rechten Vox

Im Wahlkampf nannte der Vox-Chef Santiago Abascal der Partido Popular noch die „kleine, feige Rechte“. Doch vor allem beim Thema Migration und dem traditionellen Stierkampf ist die Annäherung spürbar. Beide Parteien stellen Stierkämpfer zur Wahl auf, und wenn Abascal die Abschiebung von Migranten fordert, möchte Casado Einwanderer zu ihren Familien zurückschicken. 

Dabei ist die Zusammenarbeit in Andalusien keine echte Koalition. Das Regierungsbündnis aus PP und liberaler Ciudadanos wird von Vox nur unterstützt. Als Gegenleistung übernehmen diese Forderungen aus dem Vox-Wahlprogramm.

Seine politische Karriere begann Casado mit 22. Zwei Jahre später, 2005, war er bereits Präsident der Jugendorganisation der PP in Madrid. Sein außergewöhnliches rhetorisches Talent und sein elegantes und kommunikatives Auftreten werden schnell von vielen einflußreichen Parteimitgliedern erkannt. Esperanza Aguirre, die viele Jahre die Madrider PP leitete, zählt ebenso wie die ehemaligen Ministerpräsidenten José María Aznar und Mariano Rajoy zu seinen Förderern.

Bereits im Juli 2007 wurde er Abgeordneter im Stadtparlament von Madrid. 2009 heiratete er die Psychologin Isabel Torres Orts, mit der er zwei Kinder hat. Seit 2011 – mit gerade 31 Jahren – ist er Abgeordneter im Congreso de los Diputados, dem spanischen Abgeordnetenhaus.

Als Rajoy Anfang Juni 2018 ein Mißtrauensvotum im Parlament verlor, endete seine Regierungszeit und er zog sich aus der Politik zurück. Rajoy hinterließ eine Partei, die sich vaterlos und führungslos fühlte. Diese Leere wollte der engagierte Nachwuchspolitiker Casado bei der Wahl am 21. Juli füllen, als er sich gegen seine Konkurrentin Soraya Sáenz de Santamaría durchsetzte. Beobachter bewerteten die Wahl Casados als Rechtsruck. Der Kirchgänger bezeichnet sich selbst jedoch als Liberal-Konservativen.

Der PP ist die Schwesterpartei der deutschen CDU. Beide sitzen im EU-Parlament in der Gruppe der Europäischen Volkspartei (EVP). Die Partei steht besonders für die Einheit des spanischen Nationalstaats ein und gegen regionale Unabhängigkeitsbestrebungen. Im Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens fragte Casado, ob der katalanische Regionalpräsident enden wolle wie einst Unabhängigkeitskämpfer Lluís Companys. Der rief 1934 die katalanische Republik aus und kam deshalb ins Gefängnis. Später wurde er unter Francisco Franco hingerichtet. 

Kritiker sehen auch deshalb in casados Aussagen rechte Tendenzen. Er lege besonderen Wert auf den Katholizismus, ordne Frauen unter, betone die spanische Einigkeit, die transatlantische Freundschaft und sei Abtreibungsgegner. Teilweise werden seine Positionen sogar als reaktionär beschrieben.

Die markigen Worte Casados waren bei den vorgezogenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus im April 2019 allerdings kein Erfolgsrezept. Der PP mußte mit 17 Prozent der Stimmen das schlechteste Parlamentswahlergebnis seiner Geschichte hinnehmen. Besonders zu Vox und den Ciudadanos waren Wähler abgewandert. 

Von 40 Prozent kann Casado nur träumen

Einige sahen schon das Ende des jungen Parteivorsitzenden. Doch der hielt sich. Als es im November 2019 zu Neuwahlen kam, erzielte er mit der PP einen Achtungserfolg von 21 Prozent.

Bei Regierungsbildungen hatte sich das linke Lager stets von der PP distanziert, so daß nur eine Zusammenarbeit mit Vox in Frage kam. Vielleicht versucht er auch deshalb, mit moderateren Tönen Wähler aus der Mitte des politischen Spektrums zu gewinnen. Zudem sind viele PP-Stammwähler über 60 und wohnen in der Provinz. Die positiven Wahlkampfbilder mit seinem Großvater dürften dort gut ankommen.

Die Corona-Krise nutzte er für wahltaktische Manöver. In Spanien starben fast 29.000 Infizierte. Das Land hat gemessen an der Bevölkerung eine der höchsten Infektionsraten Europas. Wohl auch deshalb erklärte sich Casado bereit, mit dem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez  zu Gesprächen zusammenzukommen. Allerdings kritisierte seine Partei die Corona-Maßnahmen von Sánchez’ Regierung von Anfang an sehr scharf. Von Zusammenarbeit war deshalb keine Rede.

Casado wirft der Regierung vor, sie lasse die Bürger mit den Folgen der Corona-Politik allein. Das sei insbesondere auf dem Arbeitsmarkt und bei der Bildung spürbar. Er wirft Sanchez vor, die Bürgerrechte würden zu sehr eingeschränkt. 

Auch die Übertragung von Kompetenzen an die autonomen Regionen kritisiert Casado scharf. Bildung und Gesundheitswesen seien in Zeiten der Pandemie eine Aufgabe der nationalen Regierung. Nach den vielen Toten durch die Pandemie würden die Spanier nicht länger die „Inkompetenz und Lügen“ der Regierung verdienen.  

Am 30. August twitterte Casado: „Es sind zwei Jahre vergangen, seit darüber debattiert wurde, wann Ciudadenos in Umfragen den PP überhole. Vor einem Jahr wurde dieselbe Frage in bezug auf Vox gestellt.“ Und jetzt gäbe es Umfragen, die den Partido Popula in Umfragen an der Spitze sähen. „Die Zersplitterung der politischen Rechten sei der Rettungsring Sánchez’, aber jetzt vereine sie sich in ihrer einzigen Alternative, der Partido Popular.“

In den Umfragen nähern sich die beiden großen Parteien zwar an, von Spitzenwerten mit mehr als 40 Prozent der Wählerstimmen, wie sie die Partei bei den Parlamentswahlen 2011 noch erreichte, ist sie aber bei aktuell etwa 25 Prozent weit entfernt. Daran kann auch der Optimismus des Parteiführers nichts ändern.