© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Warten auf von der Leyens großen Wurf
Der neue EU-Pakt für Migration und Asyl: Unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft soll dem Kommissionsplan zugestimmt werden
Curd-Torsten Weick

Anfang September 2019 ließ die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Briefen an den neuen EU-Vizepräsidenten Margaritis Schinas, der für Migrationsangelegenheiten zuständig ist, und die Innenkommissarin Ylva Johansson, die Katze aus dem Sack. Unter dem Motto „Unsere europäische Lebensweise schützen“ betonte sie darin die Notwendigkeit eines neuen Paktes zu Migration und Asyl in Europa.

Schinas, dessen Aufgabe es ist, die Arbeit an dem neuen Pakt zu koordinieren, umriß danach dessen Aufgaben so: „Ein neuer Pakt bedeutet, unsere Außengrenzen stark genug zu machen, um den für unsere Union so symbolträchtigen Raum der Freizügigkeit zu erhalten.“ Dazu, so der konservativ-liberale Grieche weiter, sei es erforderlich, die Arbeit der Europäischen Agentur für  die Grenz- und Küstenwache Frontex zu verbessern und den Kampf gegen Schmuggler und Menschenhändler, die menschliches Elend gewinnbringend ausnutzen, zu intensivieren.

Feedback der EU-Bürger nicht erwünscht

Erforderlich sei zudem ein „wirksames Rückführungssystem für diejenigen, die nicht das Recht haben, zu bleiben“ sowie die „Einführung effizienterer und robusterer Asylverfahren“. Der neue Pakt soll aber auch legale Wege nach Europa eröffnen, um „unsere Arbeitsmärkte und Industrien durch legale Migration mit den richtigen Talenten und Fähigkeiten auszustatten“, so Schinas.

Unter dem Motto „Eine Union, die mehr erreichen will“ wurde das neue Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission am 29. Januar 2020 veröffentlicht. Unter der fünften Priorität – „Förderung unseres europäischen Lebensstils“ – kündigte die Kommission ihre Absicht an, einen neuen Pakt zu Asyl und Migration auf den Weg zu bringen. Dem Arbeitsprogramm zufolge sollte der Pakt im ersten Quartal 2020 verabschiedet werden. Aufgrund der Corona-Pandemie paßte die Kommission Ende Mai ihr Arbeitsprogramm an und kündigte an, daß der Pakt im 3. Quartal 2020 – unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft – verabschiedet werden soll.

Vom 30. Juli bis zum 27. August gab die EU-Kommission den Bürgern zudem die Möglichkeit, sich auf ihrer Homepage zum Pakt zu äußern. „Die EU betreibt Bürgerbeteiligung beim Migrationspakt als reine Farce“, titelte daraufhin die österreichische Presse. „Die EU-Kommission fragt die Bürger um ihre Ansicht, aber will davon eigentlich nichts wissen. Denn diese Meinungen könnten ja kritisch oder ablehnend sein.“

Keine Informationen, keine Aufrufe, keine Berichterstattung. Von rund 450 Millionen EU-Einwohnern gaben 1.829 EU-Bürger ein Feedback ab.

Die Kommission hat sich bisher geweigert, konkrete Details des Plans preiszugeben. Dennoch gab die EU-Kommissarin für innere Angelegenheiten, Ylva Johansson, am 17. August Hinweise. Bei ihrem Besuch in Tunesien erklärte die schwedische Sozialdemokratin: „Wir setzen uns für eine Zusammenarbeit zwischen der EU und Tunesien ein, die sowohl die reguläre Migration nach Europa als auch die Zusammenarbeit bei Rückkehr und Rückübernahme fördert. Dies kann uns helfen, die Migration auf geordnete Weise zu steuern. Strategische Partnerschaften mit Ländern außerhalb der EU werden ein Schlüsselelement des neuen Pakts sein“.

 Meinungsbeitrag Seite 2