© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Die US-Notenbank Fed kündigt ein flexibleres Inflationsziel an
Washingtoner Abwege
Philipp Bagus

Die US-Fed hat ihr offizielles Inflationsziel vorige Woche angepaßt, um noch „flexibler“ agieren zu können. Schon immer war die amerikanische Notenbank inflationärer ausgerichtet als die Bundesbank. Auch das vorrangige EZB-Ziel ist zumindest auf dem Papier die Preisstabilität – sprich: wenn die Teuerung unter, aber nahe bei zwei Prozent liegt. Erst wenn dieses Ziel erreicht ist, unterstützt die EZB die allgemeine Wirtschaftspolitik.

In Washington gibt es hingegen drei gleichberechtigte Ziele: Neben der Preisstabilität soll die Fed auch für moderate langfristige Zinsen und Vollbeschäftigung sorgen. Ein wenig mehr Inflation, um kurzfristig die Beschäftigung zu erhöhen, ist mit dem Fed-Mandat leichter zu begründen als mit dem der EZB. Zudem hatte die Fed seit 2012 ihr Inflationsziel explizit auf zwei Prozent festgesetzt.

Nun will die Fed auch Teuerungsraten von über zwei Prozent akzeptieren und sogar ansteuern, wenn die Inflationsrate zuvor unter zwei Prozent gemessen wurde. Liegt beispielsweise die gemessene Teuerung drei Jahre lang bei einem Prozent, dann besteht für die Fed selbst bei einer Inflationsrate von fünf Prozent kein Problem mehr. Da die US-Inflationsrate in den vergangenen Jahren meist unter zwei Prozent lag, eröffnet sich damit ein Spielraum für eine höhere Dollarentwertung.

Damit ist die Ermessensfreiheit bei der Auslegung des Preisstabilitätsziels, das eigentlich null Prozent Inflation bedeuten sollte, weiter gewachsen. Mit der Strategieanpassung legitimiert die Fed ihren Weg eines höheren Geldmengenwachstums, den sie längst eingeschlagen hat. Sie war gerade dazu gezwungen, diese Anpassung vorzunehmen, will sie ihrem Inflationskurs treu bleiben. Auch die EZB wird dieses Jahr ihre Strategien überprüfen und sie möglicherweise anpassen, also wohl inflationärer gestalten und damit ihren bereits eingeschlagenen Kurs festigen und nachträglich rechtfertigen.

Doch die symbolische Kraft und langfristigen Auswirkungen einer solchen Geldpolitik sind nicht zu unterschätzen. Die Qualität des Dollars ist gesunken. Die Inflationserwartungen steigen. Das gibt den Aktienmärkten weitere Luft nach oben. Der Euro gewinnt relativ zum Dollar an Attraktivität, zumindest bis der Euroraum nachzieht.

Die derzeitige Eurostärke schmerzt die Exportwirtschaft, erfreut aber die Importeure und Konsumenten. Die wichtigste Einsicht der flexibleren Zielsetzung der Fed ist, daß sich die Zentralbanken mit ihren überschuldeten Wirtschaften im Schlepptau schon zu weit auf die Inflationsbahn hinausgewagt haben. Der Schritt der Strategieanpassung wurde beinahe unvermeidbar. Gold und Silber bieten Schutz vor diesen inflatorischen Abwegen.






Prof. Dr. Philipp Bagus lehrt VWL an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid.