© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/20 / 04. September 2020

Letzte Erinnerungen ans Leben
Französisches Geisterkino: „Der flüssige Spiegel“ von Stéphane Batut erschließt sich rational nur sehr schwer
Claus-M. Wolfschlag

Einen schwer durchschaubaren Debütfilm hat der 52jährige Franzose Stéphane Batut inszeniert. Ein Phantastikstreifen zwischen Leben, Geisterwelt und Totenreich mit einem sperrigen Symbolismus. Und es wäre nicht französisches Kino, wenn es dabei zu keiner sinnlichen Romanze käme.

Es beginnt damit, daß sich der junge Juste (Thimotée Robart) nachts im Pariser Parc des Buttes-Chaumont in einem derangierten Zustand auffindet und bald darauf bemerkt, daß er für die dort streifenden Partygänger wie Luft zu sein scheint. Der Desorientierte stößt auf den Ladenbesitzer Alpha (Djolof Mbengue), der sich seiner annimmt. Die Position der beiden ähnelt sich, denn sie sind Geister, die weiterhin auf Erden wandeln. Den meisten Menschen unsichtbar, gibt es doch einige Lebende, mit denen die Geister noch normalen körperlichen Kontakt aufnehmen können. Alpha hat sich dem Tod entzogen, ist abgetaucht und führt ein zurückgezogenes Leben mit seiner irdischen Frau Baïlo (Marie-José Kilolo Maputu).

Juste hingegen ist nicht so leicht durch das Kontroll-System gerutscht, wird aber von der geheimnisvollen Ärztin Kramarz (Saadia Bentaïeb) mit der Aufgabe betraut, ihr als Fährmann die verwirrten Geister der frischen Toten auf sanfte Weise zuzuführen, damit sie diese ins Totenreich überführen kann.

Melancholischen Film voller Stimmungsbilder

So wandelt Juste weiterhin durch die Großstadt, in der die Menschen wie Unsichtbare aneinander vorbeieilen, und hat sich mit seiner Rolle arrangiert. Da ihm die Erinnerung an sein Leben und seinen Tod fehlt, läßt er sich gern von den frisch Verstorbenen deren schönste Momente ihres Daseins erzählen.

So geht das einige Jahre, bis Juste von einer Lebenden gesehen und verfolgt wird. Er lernt Agathe (Judith Chemla) kennen, die sich von der verblüffenden Ähnlichkeit des Geistes an eine einstige Urlaubsliebe erinnert fühlt. Er sähe dieser sehr ähnlich, könne es aber nicht sein, da er heute einige Jahre älter wäre, sagt sie. Der Geist und die von alter Sehnsucht erfüllte Frau gehen eine Liebschaft miteinander ein. Beide versuchen ein verlorenes Leben nachzuholen. Doch das zieht Sanktionen für Juste nach sich.

Regisseur Stéphane Batut hat einen melancholischen Film voller Stimmungsbilder geschaffen, der sich dem Zuschauer aber nicht immer rational erschließt. Doch muß er das vielleicht auch nicht, er spielt ja schließlich in der Sphäre des Übersinnlichen.

Kinostart ist am 3. September