© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/20 / 11. September 2020

Deutschland, Rußland und der Fall Nawalny
Patriotismus mißbraucht
Moritz Schwarz

Der Fall Nawalny betrifft Deutschland nicht erst seit der vergiftete Putingegner in Berlin behandelt wird. Spätestes seit 1917, tatsächlich schon seit dem „Mirakel des Hauses Brandenburg“ 1762 hat nicht nur die außen-, sondern ebenso die innenpolitische Entwicklung Rußlands zentrale Bedeutung für unser nationales Interesse. Doch nicht nur aus sicherheitspolitischen, auch aus innenpolitischen Gründen können uns die Verhältnisse an der Moskwa nicht gleichgültig sein: Schließlich ist Putin durch seine angeblich vaterländische Politik zum nationalkonservativen Aushängeschild in Europa geworden. Seine Herrschaft muß also vor allem die Rechte in höchstem Maße besorgen. 

Denn Korruption und Repression, die von der Mehrheit der Deutschen zu recht abgelehnt werden, nehmen in seinem Reich immer schlimmere Ausmaße an und kontaminieren damit den Nationalkonservatismus in den Augen vieler hiesiger Wähler. Keine politische Idee gewinnt die Mehrheit der Bürger durch ihre Programmatik, jede braucht dafür eine erfolgreiche Regierung. Putin aber mißbraucht den Patriotismus, anstatt für eine attraktive, zukunftsfähige patriotische Alternative zu sorgen, die, wie jene der preußischen Reformer oder der US-Gründerväter, dank Rechtsstaat und Bürgerschaftlichkeit aus sich heraus lebensfähig ist. Und Nawalny? Nicht vergessen: Auch wenn er derzeit bei uns Liebling der Linken ist – er selbst zählt sich zu den demokratischen Nationalisten.