© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/20 / 11. September 2020

Ländersache: Berlin
Verpfeifen hinter Schloß und Riegel
Peter Möller

Ein Vorwurf kann den Politikern der rot-rot-grünen Koalition in Berlin nicht gemacht werden: Sie lassen keinen Zweifel daran, daß es ihnen nicht nur darum geht zu regieren, sondern darum, Staat und Gesellschaft nach ihren Vorstellungen radikal umzubauen. Dies gilt nicht zuletzt für Polizei und Justiz, zwei Institutionen, denen linke Politiker traditionell – vorsichtig formuliert – mißtrauisch gegenüberstehen. 

Wie das funktioniert, hat der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux kürzlich im Neuen Deutschland erläutert: „Wir haben die gesamte Führung fast aller Berliner Sicherheitsbehörden ausgetauscht und dort ziemlich gute Leute reingebracht. Bei der Feuerwehr, der Polizei, der Generalstaatsanwaltschaft und auch beim Verfassungsschutz.“ Doch Personalpolitik ist nur eine Möglichkeit, die „r2g“ nutzt, um den Staat und seine Institutionen umzubauen beziehungsweise zu schwächen.

Ein weiteres Beispiel hat jetzt Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) geliefert. In einem Schreiben der Justizverwaltung an die Leiter der Justizvollzugsanstalten (JVA) und die Leiterin der Sozialen Dienste hat Behrendt nach einem Bericht des Tagesspiegel Mitte August für die Bediensteten in den sechs Berliner Gefängnissen ein Meldesystem für „demokratiefeindliche Tendenzen“ angeordnet. Seit dem 1. September müssen demnach „alle Vorfälle mit demokratiefeindlichen Tendenzen“ oder auch nur Hinweisen auf solche Tendenzen „unaufgefordert“ und „in anonymisierter Form“ erfaßt und der Justizverwaltung gemeldet werden. Ziel sei ein Überblick, „in welchem Umfang sich die gesellschaftlichen Entwicklungen im Justizvollzug“ abbilden. Zur Begründung für die neue Regelung wird in dem zweiseitigen Schreiben auf die „allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen“ verwiesen.

Für Unmut unter den Betroffenen sorgt vor allem, daß entsprechende Vorfälle der Senatsverwaltung selbst dann gemeldet werden sollen, wenn kein Anlaß besteht, gegen die Bediensteten disziplinar- und strafrechtlich vorzugehen. Schnell machte daher in der verunsicherten Belegschaft der Vorwurf die Runde, der Justizsenator installiere ein Spitzel- und Denunziationssystem nach DDR-Vorbild.

Kritisch wird insbesondere gesehen, daß die Meldung durch die JVA-Leiter zwar anonymisiert erfolgen soll, allerdings sollen die Meldungen „soweit eine personenbezogene Zuordnung möglich ist“ auch „Angaben zur Laufbahnfachrichtung, Alter und Geschlecht“ der gemeldeten Mitarbeiter enthalten. Mit diesen Angaben wäre eine Identifizierung der betroffenen Personen über Umwege trotzdem möglich. Kritiker wie der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Sven Rissmann, bemängeln zudem, daß auch „Verfehlungen“ gemeldet werden sollen, selbst wenn nicht klar ist, ob die betroffenen Beamten damit gegen das Dienstrecht verstoßen haben. „Offenbar scheint die Justizverwaltung dazu überzugehen, Handlungen zu erfassen, die unterhalb der Disziplinarschwelle liegen“, sagte Rissmann dem Tagesspiegel.

Justizsenator Behrendt weist unterdessen alle Vorwürfe, er wolle ein Spitzelsystem etablieren, zurück: „Es ist niemand aufgefordert worden, irgendwelche Ausforschungen zu machen“, versichert er. Es gehe lediglich darum, Vorkommnisse in den Justizvollzugsanstalten zu erfassen.