© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/20 / 11. September 2020

Grüne wollen deutsche Innenstädte fit für die Zukunft machen
Drei Prozent Digitalsteuer
Jörg Fischer

Die Grünen glauben, alles besser zu wissen – und sie wollen alle zu ihrem Glauben zwingen. Und da sie als Koalitionspartner umschwärmt sind, werden auch Ungläubige zunehmend von ihren Verzichtsdogmen drangsaliert. Die Corona-Krise verschafft den Missionaren neue Einfallstore: Da viele Innenstadthändler in Existenznöten sind, müsse die „Marktmacht der Internetgiganten“ begrenzt werden, um „kleineren Unternehmen eine faire Chance zu geben“, heißt es in einem Beschluß der Bundestagsfraktion. Daher sollen „Umsätze digitaler Großunternehmen“, wie von der EU geplant, mit drei Prozent besteuert werden.

Im Kleingedruckten verbergen sich die Glaubenssätze der Ökoreligion: „Wer zu Fuß, per Rad oder Öffis in der Stadt unterwegs ist, gibt deutlich mehr Geld im lokalen Einzelhandel aus.“ Und hier soll Zwang nachhelfen: teures Parken, Rad- statt Fahrspuren, Citymaut und künftig die autofreie Stadt. Daß „neue Mobilitätsdienste wie Pooling- und Sharingmodelle“ allenfalls eine Alternative für Besserverdiener sind – geschenkt. Auch städtische Verwahrlosung und Kriminalität fördert durch die Abwehr Einkaufswilliger die Umsätze bei Amazon & Co. – vom reichhaltigen Online-Warenangebot ganz zu schweigen.

Dabei gäbe es durchaus einen sozialen Ansatz, um den Durchmarsch „digitaler Großunternehmen“ abzubremsen: endlich anständige Löhne in den Verteilzentren von Amazon, Otto oder Zalando sowie bei den Lieferanten Post/DHL, Hermes & Co! Hier sind Politik und Gewerkschaften gefragt. Das würde den Kostenvorteil der Onlinegiganten reduzieren und Bestellungen etwas teurer machen. Doch das würde die dreiprozentige EU-Digitalsteuer ebenso. Die Verteilzentren können kaum abwandern – das verhindert die Logistik des schnellen „Premiumversands“. Alles andere steht ohnehin unter Optimierungsdruck, wie die für 2021 angekündigte Verlagerung der Otto-Retouren von Hamburg nach Polen und in die Tschechei zeigt.