© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/20 / 11. September 2020

Ein Film wie ein Baisertörtchen
Kino: „Love Sarah – Liebe ist die wichtigste Zutat“ widmet sich der Backkunst / Das Ergebnis ist zuckersüß
Dietmar Mehrens

Das Leben ist ein Schaukelpferd, wippt hin und her auf dieser Erd’. Wir trinken Wein und essen Brot. Am Ende sind wir alle tot!“ Die Handlung von „Love Sarah – Liebe ist die wichtigste Zutat“ paßt in einen Poetry-Slam-Vierzeiler. Allerdings müssen Brot und Wein durch Kuchen und Torten ersetzt werden, und der Sensenmann hat hier nicht am Ende seinen großen Auftritt, sondern säbelt schon gleich am Anfang des Films die heimliche Hauptfigur aus dem Leben: die titelgebende Sarah.

Das ist deswegen besonders tragisch, weil die bei einem tödlichen Fahrradunfall ums Leben gekommene Sarah gerade vor einem entscheidenden beruflichen und biographischen Wendepunkt stand: der Eröffnung einer Konditorei im Herzen Londons. Tragisch ist das auch für ihre beste Freundin und Geschäftspartnerin Isabella (Shelley Conn). Denn die steht jetzt zwar mit bewilligtem Bankkredit, aber ohne kompetente Konditorin da. Damit hat sich der Traum vom eigenen Geschäft so schnell erledigt wie die Beziehung von Sarahs 19jähriger Tochter Clarissa (Shannon Tarbet), die kurz nach dem Todesfall von ihrem Freund vor die Tür gesetzt wird.

Da nun sowohl für Isabella als auch für Clarissa guter Rat teuer und die Londoner Ladenzeile im berühmten Stadtteil Notting Hill sogar noch teurer ist, tun sich die beiden Frauen zusammen. Jetzt müssen sie nur noch Mimi, Sarahs mißmutige Mutter (Celia Imrie), als finanzkräftige Investorin für das gewagte Gemeinschaftsprojekt gewinnen. Und einen Mann finden, der besser backen kann als Isabella, damit er den zu Ehren der Verblichenen „Love Sarah“ genannten Laden zum Laufen bringt. In Gestalt von Sarahs Ex-Freund Matthew (Rupert Penry-Jones) stellt sich auch der ein – und ist überdies verdächtig, Clarissas unbekannter Vater zu sein, wodurch weiteren Verwicklungen Tor und Tür geöffnet sind ...

Eliza Schroeder (Regie) und Jake Brunger (Buch) versuchen ein bißchen zu auffällig, auf Bewährtes zurückzugreifen, um ein vorwiegend weibliches Publikum anzulocken. Denn Kochkunst vor laufender Kamera – das war schon in „Bella Martha“ (2001) mit Martina Gedeck, „Julie & Julia“ (2009) mit Meryl Streep und „Kiss the Cook“ (2014) von und mit Jon Favreau ein gutes Rezept für Kino-Kurzweil. Wie es sich für einen anständigen Frauenfilm gehört, spielen Männer nur Nebenrollen: Sie arbeiten dem starken Frauentrio zu, sind nützliche Assistenten, dürfen aber auch die Erfahrung machen, daß man auf sie notfalls verzichten kann, wenn sie nicht spuren wollen. Fast wie im richtigen Leben also.

Von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) unter anderem wegen seines „warmherzigen Charmes“ mit dem „Prädikat besonders wertvoll“ ausgezeichnet, ist „Love Sarah – Liebe ist die wichtigste Zutat“ ein Film wie ein Baisertörtchen: so locker und leicht zubereitet, daß sich niemand daran die Zähne ausbeißen wird, appetitlich serviert und schön anzuschauen. Kaum hat man jedoch den letzten Bissen geschluckt, stellt sich unweigerlich die Erkenntnis ein: viel zuviel Zucker!