© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/20 / 18. September 2020

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Das Richtige mit den Falschen?
Paul Leonhard

Den Eltern in Sachsen-Anhalt sollen die Kindergartenkosten für den Monat Mai vom Land erstattet werden. So hatte man es bereits für den Corona-Monat April gehalten. Für die weitergehende Entlastung hatte sich die Landtagsfraktion der AfD ausgesprochen. Und auch die Linken forderten den kostenfreien Mai. So setzten die einen das Thema auf die Tagesordnung im Magdeburger Landtag, und die anderen formulierten einen Änderungsantrag. 

Da beide Fraktionen dort in der Opposition sind – in Sachsen-Anhalt regiert eine Koalition aus CDU, SPD und Grünen –, war eigentlich absehbar, daß diese Gesetzesinitiative an den Mehrheitsverhältnissen scheitern würde.

Als am vergangenen Donnerstag zu vorgerückter Stunde der Antrag für die Gebührenbefreiung der Mamas und Papas an der Reihe war, hatten viele Volksvertreter der Regierungsparteien das Parlament längst verlassen. Schließlich brauchte es ihre Anwesenheit nicht, denn coronabedingt hatte man sich zu beginn der Pandemie auf eine Art Notparlament sowie ein „Fairneß-Abkommen“ geeinigt. Demnach blieben die Mehrheitsverhältnisse gewahrt, selbst wenn nicht alle Mitglieder des Hauses an der Sitzung teilnehmen. 

Solange die Abgeordneten der regierenden Kenia-Koalition geschlossen gegen Oppositions-Anträge stimmen, gelten diese als abgelehnt, so die Absprache. Die Chancen für den Antrag der Linken im Landtag lagen also bei Null, da CDU, SPD und Grüne gegenüber AfD und Linken über eine Mehrheit von 46 und zu 41 Stimmen verfügen.

Wie vorgesehen stellten die Linken also ihren Antrag und wie vorgesehen stimmten die Vertreter der Jamaika-Koalition dagegen. Abgelehnt also. Aber an dieser Stelle wollte es die AfD genau wissen und verlangte die Auszählung der Stimmen. Anschließend gab es jenseits der AfD lange Gesichter. Die Koalitionsabgeordneten waren vorgeführt worden, der Antrag der Linken hatte dank AfD-Stimmen eine knappe Mehrheit gefunden. 

Die Regierung muß jetzt ein Gesetz erarbeiten, das sie nicht will. Die Linke sieht sich dagegen in der verzwickten Lage, etwas Gutes gewollt zu haben, aber die entscheidenden Stimmen für dessen Durchsetzung von ihrem Erzfeind, der AfD, erhalten zu haben, was ein Parteibeschluß eigentlich ausdrücklich untersagt. 

Prompt warf CDU-Bildungsminister Marco Tullner den Linken vor, gegen ihre eigenen Regeln verstoßen zu haben. Diese zeigten sich zerknirscht und Landtagsvizepräsident Wulf Gallert (Linke) spielte den „Schwarzen Peter“ der AfD zu, die mit ihrem Antrag auf Stimmenauszählung einen Tabubruch begangen und gegen Absprachen verstoßen habe. In einigen Medien war gar von einem „Eklat“ im Magdeburger Landtag die Rede. 

Zum Glück für den Parlamentarismus in Sachsen-Anhalt hat die solchermaßen brüskierte Linkspartei eine Chance, alles wieder gutzumachen. Sollte die Ministerialbürokratie tatsächlich einen Gesetzentwurf zur Entlastung der Eltern von Kindergartengebühren für den Mai vor dem Ende der Wahlperiode im Juni 2021 dem Landtag zur Abstimmung vorlegen, könnten die Abgeordneten der Linksfraktion mit der Regierung gegen das stimmen, was sie in einem Antrag selbst gefordert hatte.