© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/20 / 18. September 2020

„Das Perfekte nicht zum Feind des Guten machen“
Simbabwe: Weiße Farmer sollen künftig mit 3,5 Milliarden US-Dollar entschädigt werden / Expertengruppe soll Geld auftreiben
Jörg Sobolewski

Gute Nachrichten aus dem südlichen Afrika sind auch 2020 noch rar gesät. Doch als vor kurzem die Regierung in Harare verkündete, sich mit Vertretern der Commercial Farmers Union (CFU) über eine Entschädigung und gegebenfalls sogar Rückgabe von Agrarland geeinigt zu haben, waren internationale Beobachter überrascht.

Von einigen schwarzafrikanischen Kommunisten abgesehen, wurde die Ankündigung positiv aufgenommen. Bereits in der Vergangenheit sind einzelne Farmer wie Rob Smart im Dezember 2017, die nach dem Sturz des greisen Mugabe zurückgekehrt waren, mit offenen Armen von der Bevölkerung begrüßt worden. 

Mugabes Mißwirtschaft ein Ende setzen

Verantwortlich für das Tauwetter zwischen Schwarz und Weiß ist der neue starke Mann Simbabwes, Präsident Emmerson Mnangagwa. Der steht einer Regierung vor, die zwar ebenfalls nicht viel von demokratischen Freiheits- und Menschenrechten hält, aber offensichtlich den Ernst der wirtschaftlichen Lage erkannt hat. Die einstige Kornkammer des südlichen Afrikas leidet unter einem Mangel an qualifizierten Landwirten und einem millionenschweren Investitionsrückstau. Nach den chaotischen Vertreibungen unter Mugabe und Jahren der Mißwirtschaft traute sich kaum ein verbliebener Farmer mehr, in seine Ländereien zu investieren. 

Den mit dem enteigneten Land betrauten Jungbauern, viele von ihnen Veteranen des rhodesischen Buschkrieges, fehlte es an Know-how, um das Land bestellen zu können. In der Folge sank die Agrarproduktion und damit auch die Exportwirtschaft ins Bodenlose. 95 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung galten auf dem Höhepunkt der Krise 2009 als arbeitslos. Das enteignete Farmland endete oft als Brachland im Besitz der Regierung Mugabe. 

Seit dem Amtsantritt Mnangagwas 2017 hat sich die wirtschaftliche Situation etwas beruhigt. Die neue Regierung fordert mittlerweile weiße Farmer offen dazu auf, zurückzukehren und verspricht Schutz und staatliche Unterstützung.Im Land selbst bleibt das nicht unwidersprochen. Viele derjenigen, die unter Mugabe einen Streifen Land zugesprochen bekamen, fürchten nun um ihre Zukunft. Die ehemaligen Soldaten Mugabes sind häufig durch den jahrelangen Krieg und die anschließenden Terrormaßnahmen des Regimes von ihrem Stamm entfremdet und verfügen über keinerlei sozialen Rückhalt in der archaischen Gesellschaft Simbabwes. Eine Rückgabe ihrer Farmen wäre für sie gleichbedeutend mit dem Hungertod. Die Regierung in Harare spricht daher auch nicht von „Kompensation für Land“, sondern von „Kompensation für Infrastruktur“.

Nur vereinzelte Kritik aus Reihen der Farmer

Die 4.000 Farmer sollen entschädigt werden für die Investitionen, die von ihnen in ihre Ländereien getätigt wurden. Etwa 3,5 Milliarden US-Dollar sollen an die Enteigneten fließen. Eine Summe, über die das Land freilich nicht im Ansatz verfügt. Das Geld auftreiben soll daher eine Expertengruppe, der auch Vertreter der CFU angehören sollen. Kenner des Landes gehen daher davon aus, daß die Regierung früher oder später Land mit Land vergüten muß, um die Angelegenheit zu einem Abschluß zu bringen. 

Die Farmer haben bereits angekündigt, die Regierung an „Taten und nicht an Worten“ messen zu wollen, wie einer von ihnen, der Deutsche Heinrich von Pezold verkündet. Es war sein Fall gewesen, der wesentlichen Fortschritt in die Angelegenheit brachte. Unter einem neuen Investitionsschutzabkommen mit der Bundesrepublik mußte die Regierung in Harare sich einem Richterspruch eines internationalen Gerichtshofs in Wa-shington beugen, der die Zahlung von Entschädigung an von Pezold vorsah. 

Angesichts vereinzelter Kritik mancher Farmer, für die die Ausgleichszahlungen und der Zahlungsplan von vier Jahren nicht das ist, was sie sich erhofft hatten, betonte CFU-Präsident Andrew Pascoe. „Wir sind nicht blind für die Grenzen, aber wir erkennen an, daß es zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten eine simbabwische Regierung gibt, die bereit ist, unsere Notlage anzuerkennen, uns mit Respekt und Würde zu behandeln und uns für unser Leid zu entschädigen. Wir haben diese Angelegenheit hinter uns gelassen und fordern andere auf, das gleiche zu tun.“ Auch wenn das Abkommen nicht perfekt sei, so Pascoe weiter, habe die CFU, die diesen Kampf seit zwei Jahrzehnten führe, entschlossen, vorwärts zu gehen und das „Perfekte nicht zum Feind des Guten werden zu lassen“.