© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/20 / 18. September 2020

Trump nimmt wieder auf dem Fahrersitz Platz
Balkanpolitik: Die USA vermitteln ein Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo – und Brüssel zürnt
Hans-Jürgen Georgi

Vor knapp zwei Monaten erhob der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den Anspruch, daß bei der Lösung des Serbien-Kosovo-Problems die „EU in diesem Prozeß zurück auf dem Fahrersitz“ sei. Nun dürfte Donald Trump sie von diesem „Fahrersitz“ verdrängt haben. Denn das Abkommen, das am 4. September 2020 in Washington unterzeichnet wurde, muß man vielleicht nicht gleich als „historisch“ bezeichnen, wie es Donald Trump auf seine Art tat. Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den USA und der EU zeigten sich bei verschiedenen Lösungsversuchen des Konfliktes, der sich im wesentlichen um die Anerkennung des Kosovo durch Serbien dreht. Ohne daß Serbien die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz Kosovo nicht anerkennt, gibt es für Serbien keinen Weg in die EU.

Die letzten Lösungsversuche fallen in das Jahr 2018. Von den Präsidenten Serbiens und des Kosovo, Aleksandar Vucic und Hashim Thaçi, war ein Austausch von serbisch bewohnten Gebieten im Kosovo gegen albanisch bewohnte Gebiete in Serbien ins Gespräch gebracht worden. Sowohl die USA als auch Rußland sahen darin durchaus eine Chance, „wenn die beiden Seiten es so vereinbaren“. Selbst die damalige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini betrachtete den Vorschlag wohlwollend. Doch insbesondere Deutschland lehnte das Engagement strikt ab. Nationalen und ethnischen Vorstellungen abhold, befürchtete Berlin, auf dem Balkan und vielleicht auch anderswo könnte ein Domino-Effekt ausgelöst werden.

Mit der Ernennung des US-Botschafters in Deutschland, Richard Grenell, zum Sondergesandten für Belgrad und Kosovo wehte seit Oktober 2019 ein anderer Wind. Anfang September wurde dann je ein Abkommen zwischen Serbien und den USA sowie dem Kosovo und den USA abgeschlossen. 

Die etwas mehr als 15 Punkte beziehen sich zu etwa zur Hälfte auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit von Serbien und dem Kosovo. Neben Infrastrukturmaßnahmen soll eine gemeinsame Nutzung des Gazivod-/Ujmani-Sees überprüft werden. Der See, der im Jahr 2018 schon einmal zu einem scharfen Konflikt geführt hat, liegt zu einem Drittel in Serbien und zu zwei Dritteln im Kosovo. Er ist für die Energie und Wasserversorgung beider Länder wichtig. In einem weiteren Punkt sollen sich beide dem Projekt eines „Mini-Schengen“ aus Serbien, Albanien und Nordmazedonien anschließen.

Im Gegenzug verpflichten sich beide Länder, die Ausrüstung von G5-Technologie von „unzuverlässigen Anbietern“ nicht einzusetzen. Zur Finanzierung von Projekten kleiner und mittelständischer Unternehmen soll die US-Export-Import-Bank Exim herangezogen werden. Schließlich verpflichtet sich Belgrad in einem separaten Absatz dazu, bis zum 20. September in Jerusalem eine Vertretung zu eröffnen und bis Juli 2021 auch die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. Das Kosovo wird Israel anerkennen.

Sowohl in Serbien als auch im Kosovo wurde die Vereinbarung begrüßt. Das wollte man in Brüssel nicht hören. Stellvertretend sprach der European Council on Foreign Relations (ECFR) von einer „schlampigen Vereinbarung“. Hauptzweck des „Deals“ sei es, den Wahlkampf von US-Präsident Trump voranzubringen. Parallel dazu warnte der außenpolitische Sprecher der EU, Peter Stano, Serbien und Kosovo vor einer Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels, da sich dies nicht mit der gemeinsamen Außenpolitik der EU decke.