© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/20 / 18. September 2020

Eine Revolution im amerikanischen Aktienmarkt?
Bye-bye Rockefeller
Thomas Kirchner

John D. Rockefeller wurde durch Standard Oil einst zum reichsten Mann der Welt. Vor nur 13 Jahren verbuchte der Nachfolgekonzern ExxonMobil mit 40 Milliarden Dollar den höchsten je erzielten Unternehmensgewinn. Doch 157 Jahre nach Eröffnung der ersten Rockefeller-Raffinerie in Cleveland flog der Energiekonzern nun aus dem Dow Jones. Chevron ist die letzte noch im US-Leitindex verbliebene Ölaktie und geht ebenfalls direkt auf Rockefeller zurück.

Der Preis des Schwarzen Goldes ist weiter unter Druck: Wie schon im Frühjahr, als es ein paar Stunden lang negative Preise gab (JF 18/20), wird Rohöl in Tankern auf See gelagert. Hohe Preisabschläge bei kurzfristiger statt längerfristiger Lieferung deuten ebenfalls wieder auf Lagerschwierigkeiten hin. Daß Donald Trump das Verbot von Ölbohrungen vor der Küste Floridas um zehn Jahre verlängert hat, wird auf Förderung und Preis keine Auswirkung haben, eher auf das Wahlergebnis im November: Im tourismusabhängigen Florida ist jede noch so abstrakte Gefährdung der Strände unpopulär.

Die schon länger andauernde Schwäche des Ölpreises setzt allen Energiekonzernen zu. Zwar hat der Goldpreis kräftig zugelegt und einige Agrarprodukte handeln auf hohem Niveau, aber trotz dieser Ausreißer bleiben Rohstoffe insgesamt günstig. Die Lage erinnert an die späten 1990er, als Anleger Rohstoffe aufgegeben hatten. Es folgte eine Hausse, die Rohstoffpreise bis 2007 neue Rekorde erzielen ließ. Und ähnlich wie in den 1990ern treiben Technologiekonzerne den Aktienmarkt. Heute sind es allerdings einige wenige Werte mit extrem hohem Marktwert, die dominieren. Die fünf größten Aktien im S&P 500, Apple, Google, Microsoft, Facebook und Amazon, hatten in der Spitze zusammen mehr als 40 Prozent seit Jahresanfang zugelegt, während die restlichen 495 Werte kollektiv zwei Prozent verloren hatten. Das verhalf dem Aktienindex zu neuen Rekordwerten, die seit Anfang September aber schon wieder Geschichte sind. Seit dem Tiefstand im April hatte der Technologieindex Nasdaq fast 80 Prozent bis zur Spitze Ende August zugelegt. Eine Korrektur der Technologiewerte war da keine große Überraschung.

Trotz des Kursrückgangs bleiben Technologieaktien weiter teuer. Ende August handelten die obengenannten fünf Werte plus Facebook beim 41fachen der erwarteten Gewinne, der Rest des S&P 500 nur beim 20fachen. Die Korrektur hat diese Überbewertung kaum verringert. ExxonMobil ist im Vergleich dazu ein Schnäppchen: der derzeitige Kurs notiert nur beim Zwölffachen der für 2022 erwarteten Gewinne. Sollte der Ölpreis nach oben ausschlagen, werden Anleger mit unterbewerteten Ölwerten glücklicher als mit Technologieaktien. Denn der Tesla 3 verkaufte sich im ersten Halbjahr in den USA nur 51.750mal – die Pickups kamen trotz Krise auf über 1,3 Millionen.