© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/20 / 18. September 2020

„Gift für die Wirtschaft“
Charta für Klimaneutralität: Trotz drohender Massenentlassungen plant Minister Peter Altmaier neue Belastungen für Unternehmen und Bürger
Jörg Fischer

Bis zu 26.000 Stellen sollen bei Lufthansa wegfallen. Bei Airbus sind 5.100 Arbeitsplätze auf der Streichliste. Abfindungen und Frühverrentungen reichen für den Stellenabbau wohl nicht aus, teilte Konzernchef Guillaume Faury mit. Der Bus- und Lkw-Hersteller MAN will in Deutschland und Österreich bis zu 9.500 Stellen abbauen. Beim Autozulieferer Continental stehen 13.000 deutsche Arbeitsplätze zur Disposition. Beim Konkurrenten Schaeffler sollen an zwölf Standorten in Deutschland und zwei in Europa 4.400 Mitarbeiter gehen.

Ihre mittelständischen Zulieferer und Dienstleister müssen entsprechend nachziehen. 92 Prozent der Betriebe dieser Branche in Bayern nutzten im August Kurzarbeiterregelungen, wie eine Auswertung des Ifo-Instituts ergab. Im bayerischen Maschinenbau waren es 72 Prozent. Angesichts dessen wären Zusatzbelastungen „Gift für die Wirtschaft“, warnte daher Wolfgang Steiger, Generalsekretär des unternehmernahen Wirtschaftsrats der CDU. „Nach meiner Auffassung ist es die oberste Pflicht eines CDU-Wirtschaftsministers, Betriebe zu entlasten und damit Arbeitsplätze zu schützen“, so Steiger in der Welt.

Doch Peter Altmaier tat vorige Woche das Gegenteil: „Ich bin der Auffassung, daß wir Klimaschutz als die zentrale und vorrangige Aufgabe unserer Generation begreifen müssen und entsprechend handeln müssen“, erklärte der Ressortchef. Und der „persönliche Vorschlag für eine Allianz von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat für Klimaneutralität und Wohlstand“ des Bundeswirtschaftsministers ist alles andere als ein „historischer Kompromiß“, sondern eher ein Vorgriff darauf, was bei einer schwarz-grünen Bundesregierung droht.

Insgesamt 20 Vorschläge enthält das neunseitige Altmaier-Papier, aber schon der harmloseste letzte Punkt spricht Bände: „In Deutschland soll eine internationale ‘Klima-Universität’ entstehen, an der herausragende Forscher*innen und Lehrer*innen sowie Studenten*innen aus aller Welt zusammen arbeiten und lernen können.“ Ernstzunehmender ist allerdings die „Charta für Klimaneutralität und Wirtschaftskraft“, die noch vor der Bundestagswahl 2021 „partei- und fraktionsübergreifend von Bundestag und Bundesrat verbindlich beschlossen werden“ soll.

Darin müsse das „Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 festgeschrieben“ werden – sprich: Stromerzeugung, Heizung, Industrieproduktion, Landwirtschaft und sämtliche Dienstleistungen sollen auf „erneuerbare Energien“ umgestellt werden. Koste es, was es wolle, denn das wird „als vorrangige Aufgabe festgelegt“. Den „Treibhausgaszielen“ wird alles untergeordnet – zu Lasten der Bürger, denn „wettbewerbsrechtlich relevante Belastungen der Wirtschaft“ sollen „ausgeglichen“ werden. Bekannt ist das von der 24,6 Milliarden schweren EEG-Umlage für Ökostromerzeuger: Privatkunden bezahlen die „ermäßigten“ Strompreise für viele Unternehmen. Auch den „bestimmten Prozentsatz des Bruttoinlandsproduktes“, der „für Klimaschutz und Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehen soll“, müssen logischerweise die Bürger bezahlen.

Und wo sollen die Unmengen an „erneuerbarem Strom, Wärme und grünem Wasserstoff“ herkommen? Auch dafür hat der frühere Bundesumweltminister eine Patentlösung parat: „Über einen ‘Matching Mechanismus’ wird sichergestellt, daß die erforderlichen Mengen zum festgelegten Transformationszeitpunkt effektiv verfügbar sind.“ Was das bedeutet, verrät der sprachbegabte Jurist wohlweislich nicht.

Papier „Klima schützen & Wirtschaft stärken“: www.bmwi.de