© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Digitalministerin plant Bundeszentrale für digitale Aufklärung
Staatliche Wahrheitsbehörde
Dushan Wegner

Es ist ein Phänomen der Merkel-Jahre: Diverse Stellen versuchen immer wieder, ein von Orwell inspiriertes Wahrheitsministerium aufzubauen. Der Anspruch ist stets groß – in der Praxis bedienen sie meist Nischen und sind oft wenig mehr als eben ein weiterer publizistischer Kanal (wenn auch teils mit gefährlichen Sonderrechten). In der ARD meldet sich ein „Faktenfinder“ zu Wort, umstrittene „Faktenchecks“ gibt es auch von der Rechercheplattform „Correctiv“. Weitere Läden versuchen sich an Ähnlichem, meist auf große Fördertöpfe schielend. 

Nun versucht sich Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) an einer staatlichen Wahrheitsbehörde. Eine „zentrale Informationsplattform“ soll für Deutschland „eine gemeinsame Tatsachenbasis schaffen“. Das Projekt wird scheitern. So wie in der Realität kein vollkommener Kreis existiert, so existieren in der Realität auch keine sicheren Tatsachen, ob mit oder ohne „Siegel von oben“. Letzte Wahrheiten sind Sache der Religion. In der überprüfbaren Welt ist selbst der wahrste Satz immer nur der aktuelle Stand der nach bestem Bemühen wenigsten falschen Erkenntnis. Wahrheit ist ein Ziel, das wir anstreben, doch nie erreichen werden. Ein Politiker, der meint, verbindliche Wahrheit schaffen zu können, der liegt gefährlich falsch.






Dushan Wegner ist Essayist und bloggt unter dushanwegner.com.