© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Richterin am Obersten Gerichtshof der USA stirbt
Gelegenheiten nutzen
Thorsten Brückner

Ruth Bader Ginsburgs Leichnam war noch nicht kalt, da ging bereits das Tauziehen um ihre Nachfolge los. Es ist ein Déjà-vu. Auch 2016 verstarb mit Antonin Scalia ein Supreme-Court-Richter in einem Wahljahr. Doch anders als damals kontrollieren die Republikaner jetzt den Senat und das Weiße Haus. Auf den Supreme Court könnte es ankommen, wenn der Wahlausgang im November wieder wie im Jahr 2000 umstritten sein sollte. Ein vakanter Sitz wäre für Trump aber auch eine unschätzbare Gelegenheit, wie vor vier Jahren die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren, die im Obersten Gerichtshof – nicht ganz zu Unrecht – die letzte Bastion gegen den Angriff der Demokraten auf das Recht auf Waffenbesitz sieht. Auch sehnen viele Konservative eine Revision des Abtreibungsurteils Roe vs. Wade herbei.

Für republikanische Senatoren in umkämpften Staaten ist es kein geringes Risiko, kurz vor der Wahl die einstige liberale Galionsfigur am Gericht durch einen konservativen Hardliner zu ersetzen, zumal Mehrheitsführer Mitch McConnell sich vor vier Jahren weigerte, über Obamas Nominierung Merrick Garland überhaupt abstimmen zu lassen. Für Joe Biden wäre dies Munition in seinem Bemühen, parteiunabhängige Wähler zu gewinnen. Schon mehren sich Stimmen unter den Demokraten, die für den Fall einer Wahl Bidens die personelle Aufstockung des Gerichts fordern, um so eine konservative Mehrheit zu egalisieren.