© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

„Sonst wird Moria noch größer wiederkehren“
Carlo Fidanzas Kollege Emmanouil Fragkos, einziger Grieche im Vorstand der ECR-Fraktion, warnt Deutschland und die EU vor einer neuen Katastrophe
Moritz Schwarz

Herr Fragkos, unterminiert das deutsche Angebot, Moria-Migranten aufzunehmen, tatsächlich die griechische Flüchtlingspolitik? Wie etwa Ihr Vize-Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos angedeutet hat, als er klarstellte: „Jene, die glauben, nun (von Moria) aufs Festland und dann nach Deutschland zu kommen, irren sich!“  

Emmanouil Fragkos: Nun, das Problem wird künftig sogar wachsen, wenn Europa sich weiterhin wie ein Magnet für illegale Migration verhält. Ihr Angebot, weitere 1.550 Migranten aufzunehmen, ist erfreulich, aber nicht annähernd geeignet, das Problem zu lösen.

Also zeihen Sie Berlin nun der Heuchelei oder loben Sie unsere Solidarität?

Fragkos: Grundsätzlich ist jeder Immigrant, den Sie abnehmen, eine Hilfe. Aber mal ehrlich: Die meisten europäischen Regierungen, einschließlich der Ihren, haben sich bis zu dem Feuer doch so verhalten, als ob es Moria nicht gäbe. Denn für die Bedingungen dort war nicht nur die griechische, sondern auch die Migrationspolitik der übrigen Europäer verantwortlich, die nun seit vielen Jahren schon den Menschenschmuggel in der Ägäis ermöglicht! Und auch das Verhalten der NGOs, die eine friedliche Insel in eine Art „Aufbewahrungslager“ für Menschen verwandelt haben. Angesichts dessen fühlen sich unsere Bürger völlig verlassen und gefangen von der Politik Deutschlands und der EU.  

Was denkt man also über die Zahl 1.700 – 150 Migranten wurden bereits, 1.550 sollen noch aufgenommenen werden?  Fühlen sich Ihre Bürger wegen der geringen Zahl verschaukelt oder nehmen die Griechen das als gute Geste ernst?

Fragkos: Die Zahl ist nicht entscheidend, solange illegale Einwanderer weiterhin unsere Grenzen bestürmen, weil Deutschland und die EU sich nicht entschieden der Migrationskrise widmen! Die einzig ernste Maßnahme der Deutschen war die EU-Vereinbarung mit der Türkei, die Asylflut einzudämmen, die aber von Ankara nie wirklich umgesetzt wurde. Tatsächlich verhält sich die Türkei oft wie ein Menschenschmuggler. Und sogar die Internationale Organisation für Migration der Uno motiviert Asiaten und Afrikaner, nach Griechenland beziehungsweise Europa zu migrieren! 

Einige Journalisten rechtfertigen die mutmaßliche Brandstiftung. Etwa Mely Kiyak, Kolumnistin der „Zeit“, die auch für die „Welt“ schreibt, jubelte auf einem Blog: „Entkorkt Champagner, serviert erlesene Häppchen, feiert! Moria brennt! ... Legten sie das Feuer selbst, taten sie das Richtige.“

Fragkos: Wissen Sie, wir machen uns um ganz andere Sachen Sorgen. Denn es wäre möglich, daß es eine Koordinierung zwischen türkischen Agenten und einer NGO im Lager gegeben hat, Moria anzuzünden. Zudem kommt die große Mehrheit der Lagerinsassen aus moslemischen Staaten, die im Scheitern begriffen sind, und daher leicht von Extremisten manipuliert werden können. Manche könnten Dschihadisten sein, andere Kriminelle. Unsere Bürger aber erwarten, daß ihre Sicherheit, die gefährdet ist, Priorität genießt! Brandstiftung ist ein Verbrechen, das nicht nur die Sicherheit unserer Inseln nahe der Grenze zur Türkei gefährdet, sondern auch die Lebensqualität der Griechen dort, die das gleiche Recht haben, in Frieden und Prosperität zu leben wie die Deutschen und alle anderen EU-Bürger auch. 

Was sollte Deutschland also tun? 

Fragkos: Es sollte gemeinsam mit Griechenland und der EU endlich seine Migrationspolitik ändern! Denn wenn dieser Ansturm anhält, werden die Griechen aggressiv reagieren. Als erstes sollten wir die Grenzen schließen und Neuankömmlinge abwehren. Wer schon in Griechenland ist, sollte sicher, aber auf unbewohnten Inseln untergebracht werden, damit niemand gefährdet wird, bis der Status der Migranten geklärt ist.  

Also haben Sie keine spezielle Forderung an Berlin? 

Fragkos: Deutschland und die EU sollten sich auf eine Rückführungspolitik konzentrieren. Die Zeit für eine Abschiebung sollte minimiert, und man sollte aufhören, der Türkei eine Politik zu finanzieren, die sie nicht umsetzt, und statt dessen Siedlungsbau in den Heimatländern unterstützen. Zudem müssen NGOs und ähnliche Gruppen künftig kontrolliert werden. Keinesfalls hat jemand die Alleinschuld an der Krise, weder Athen noch Berlin, sondern es gibt viele Mitschuldige! Allerdings könnte man sagen, daß Berlin nicht nur eigene Versäumnisse beigetragen hat, sondern, da es auch um die der anderen wußte, die Folgen der Handlungsweise der anderen Akteure verschärft hat. Was durch unsere eigene Inkompetenz wiederum eine Rückkopplung erfahren hat. Wenn all das nicht endlich endet, wird auch Moria nicht enden, sondern noch größer und schlimmer wiederkehren.





Emmanouil Fragkos, ist Abgeordneter der griechischen Partei Elliniki-Lysi im Europäischen Parlament und Mitglied im Fraktionsvorstand der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (ECR). Geboren wurde der Veterinär 1993 auf der Ägäis-Insel Chios.


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