© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Richard A. Werner. Der renommierte Wirtschaftsprofessor ist Ziel wirrer Angriffe.
Guttenbergs Neuer
Michael Dienstbier

Ex-Verteidigungsminister  Karl-Theodor zu Guttenberg darf sich also wieder mit dem Titel „Doktor“ zieren. 2011 war die damalige Lichtgestalt der Union, von vielen bereits als kommender Kanzler gesehen, über eine Plagiatsaffäre gestolpert, woraufhin dem Juristen sein damaliger Doktortitel aberkannt wurde und er sich aus der Politik zurückzog. Ein adliger CSU-Minister, dem die Herzen vieler Bürger zuflogen, gestürzt – im linksliberalen Establishment war man entzückt, eine ernsthafte Bedrohung des eigenen Herrschaftsanspruchs erledigt zu sehen. 

Doch der alte Haß einiger ist noch da: Ein Hochstapler sei nun auf einen anderen Hochstapler hereingefallen, twitterte etwa der Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi abschätzig. Beim „anderen Hochstapler“ handelt es sich, folgt man De Masi, um Richard A. Werner, geboren 1967 in Landau, der als Professor für internationales Bankwesen an der britischen Southampton Business School Guttenbergs Doktorarbeit über Korrespondenzbankgeschäfte betreute. De Masi bezieht sich bei seiner Schmähung auf einen Bericht auf Spiegel Online, der aus Sicht der medialen Gesinnungswächter gar Schreckliches zutage förderte. Ein Brexit-Befürworter sei Werner, der zudem den Öxit (EU-Austritt Österreichs) unterstütze. Überdies habe er Rechtsradikales getwittert, als er per Kurznachrichtendienst die segensreiche Wirkung ungeregelter Masseneinwanderung in Frage zu stellen wagte – weshalb er nun „umstritten“ sei.

Sicher ist, daß es sich bei Werner um einen kampfeslustigen Zeitgenossen handelt. 2018 verklagte er seinen universitären Arbeitgeber auf 3,5 Millionen Pfund Schadenersatz, da er sich „als Christ und Deutscher“ diskriminiert sah. Schließlich sei ihm wegen seines Glaubens und seiner Herkunft ein sogenanntes Sabbatjahr (eine bezahlte Auszeit von der akademischen Pflicht zu lehren) zwecks Arbeit an einem neuen Buch verweigert worden, so sein Vorwurf. Da kein Vertreter der Universität zur gerichtlichen Anhörung erschien, die Werner daraufhin erwirkt hatte, erhielt er zunächst recht. Wenig später ging die Gegenseite in Berufung, das Urteil wurde aufgehoben. Mittlerweile lehrt er im mittelenglischen Leicester.

Unbestritten sind Werners akademische Leistungen. 2007 warnte er in seinem Buch „Neue Wirtschaftspolitik“ vor drohenden Bankenkrisen. Und bereits 1994 entwickelte er den Begriff „Quantitative Lockerung“, der eine selbstherrliche expansive Geldpolitik der Zentralbanken bezeichnet und seit der Euro-, Finanz- und Bankenkrise als bevorzugtes Mittel verdeckter Staatsfinanzierung vielfach Verwendung findet. Daß die Lebensleistung eines Mannes aufgrund seiner als falsch betrachteten politischen Gesinnung diskreditiert wird, paßt ins Zeitalter der totalitären „Cancel Culture“. Werner scheint allerdings genug Rückgrat zu haben, diesem ideologischen Furor zu widerstehen.