© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Zünglein an der Waage
Präsidentschaftskandidaten der US-„Drittparteien“: Hoffen und Bangen bei Demokraten und Republikanern
Volker König

Drittparteien haben es aufgrund des amerikanischen Wahlrechtes schwer, Erfolge zu erringen. Dennoch können sie mitunter den Wahlausgang entscheiden, so etwa bei der Präsidentenwahl 2000, als der Bewerber der Grünen, der Verbraucheranwalt Ralph Nader, durch seine Kandidatur erreichte, daß dem Demokraten Al Gore nur 600 Stimmen zum Wahlsieg gegen George W. Bush fehlten.

In diesem Jahr kann  aufgrund der in Umfragen nahe beieinander liegenden Kandidaten Donald Trump und Joe Biden vielleicht auch wieder ein Kandidat der „Kleinen“ den Ausschlag geben. Obwohl in diesem Jahr nicht so prominente Namen wie der erwähnte Ralph Nader oder der mittlerweile verstorbene Milliadär Ross Perot mit seiner von ihm gegründeten Reform Party auf den Stimmzetteln auftauchen werden.

Religiöse Rechte, Libertäre und linke Grüne

Für die Libertarian Party, größte unter den Kleinen, für die 2016 3,2 Prozent der US-Bürger votierten, geht die Psychologin Jo Jorgensen ins Rennen. Ihr Programm enthält etliche bizarre Forderungen. So möchte sie den Sozialstaat und das staatliche Gesundheitswesen vollständig auflösen und die Wirtschaft dem freien Spiel der Kräfte überlassen. 

Typisch libertär sind auch die Positionen zur Abschaffung der Drogengesetze, zur Entmilitarisierung der Polizei, der forcierten Nutzung der Kernenergie und zur Liberalisierung der Immigration. So erklärte Jorgensen, im Falle ihres Wahlsieges Trumps Mauerbau an der Grenze nach Mexiko sofort zu stoppen und alle Gesetze zu beseitigen, die die Einwanderung behindern.

In der Einwanderungspolitik steht ihr damit Don Blankenship diametral gegenüber. Der 70jährige ehemalige Kohlemanager tritt für die paleokonservative Constitution Party an, die Sprachrohr der religiösen Rechten ist. Er würde notfalls auch das Militär gegen Migranten einsetzen. 

Daneben setzt die aus der 1991 gegründeten US Taxpayers Party hervorgegangene Constitution Party sich für eine stärkere Betonung christlicher Werte und gegen Abtreibung ein. Bundessteuern würde sie am liebsten abschaffen. Außenpolitisch empfiehlt sie eine starke Zurückhaltung sowie den Rückzug der USA aus den meisten Bündnissen und internationalen Verpflichtungen. Bei der Präsidentenwahl 2016 hatte die Constitution Party in 24 der 50 Bundesstaaten kandidiert und 170.000 Stimmen (0,14 Prozent) erzielt.

Wie schon 2016 hat die Reform Party den Unternehmer Rocky De La Fuente aufgestellt. Der Millionär mit mexikanischen Wurzeln hatte zuvor vergeblich sein Glück als Gegenkandidat zu Donald Trump bei den republikanischen Vorwahlen Anfang des Jahres versucht. Unter den konservativen Kandidaten ist der Eigentümer von 29 Autohäusern und einem eigenen Bankennetzwerk die Verkörperung des amerikanischen Traums vom grenzenlosen Aufstieg durch Leistung. Dementsprechend formulierte er sein Credo „Ich habe eine Vision für ein Amerika, das die menschlichen Herausforderungen, die wir alle gemeinsam haben, bekämpft: Einwanderung, Klimawandel, Armut, Ignoranz, Krankheit, Einkommensungleichheit und Ungerechtigkeit.“ Bei der Wahl 2016 stimmten für De La Fuente knapp 32.000 Bürger in 20 Bundesstaaten, wobei er in Alaska und Vermont mit je 0,4 Prozent am besten abschnitt.

Auf der linken Seite dürfte der Green Party die größte Bedeutung zukommen. 2016 hatten die Grünen mit der Umweltschützerin Jill Stein bundesweit mit einem Prozent einen Achtungserfolg erzielt.

 In diesem Jahr tritt für sie der 1952 in Kalifornien geborene Bauarbeiter Howie Hawkins an. Er ist bereits seit den 1980er Jahren bei den Grünen aktiv, gehört aber auch gleichzeitig der Socialist Party an, die ihn in diesem Jahr ebenfalls als ihren Präsidentschaftskandidaten nominiert hat. Hawkins steht für einen öko-sozialistischen „New Green Deal,“ einen Umbau von Staat und Wirtschaft.

Links von den Grünen ist Gloria Estela La Riva verortet. Die 66jährige Sozialistin geht bereits seit 1992 zum achten Mal ins Rennen – kein Bewerber für das höchste Staatsamt trat häufiger an. Sie ist die gemeinsame Kandidatin der pazifistischen Peace and Freedom Party sowie der linksradikalen Party for Socialism and Liberation. 

Ihr ursprünglich nominierter Vizepräsidentschaftskandidat war der in Kalifornien prominente Aktivist des American Indian Movement Leonard Peltier, der wegen Mordes an einem FBI-Agenten zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. In den USA ist es möglich, aus dem Gefängnis heraus für Staatsämter zu kandidieren; aber Peltier machte im Sommer einen Rückzug. 2016 brachte La Riva amerikaweit 43.000 Stimmen zusammen.

Rapper könnte Demokraten das Spiel verderben

Unter der Vielzahl oft skurriler Kandidaten, die es meist nur zur Bewerbung in einem Bundesstaat schaffen, ragen zwei Namen heraus. Der milliardenschwere Rapper Kanye West, der mit manchen bizarren Thesen auftritt und für den die Impfpflicht ein Werk des Teufels ist, aber auch das Beten in Schulen wieder einführen, religiösen Gruppen mehr staatliche Unterstützung zukommen lassen will. Laut New York Times befürchten einige Demokraten, daß er für Bidens Ambitionen ein Spielverderber sein könnte.

Teufelszeug ist für die Prohibition Party hingegen der Alkohol. Die Prohibition Party ist die älteste immer noch bestehende und kandidierende Drittpartei der USA. Ihr diesjähriger Kandidat heißt Phil Collins, ein Namensvetter, aber nicht Verwandter des bekannten Sängers.