© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Das Thema „Überbevölkerung“ kommt nicht an
Volksabstimmung in der Schweiz: Die SVP-Begrenzungsinitiative erreicht nicht die Massen, neue Kampfflugzeuge dagegen schon
Curd-Torsten Weick

Die Schweizerische Volkspartei schlägt Alarm: „Jetzt an die Urne! Wir brauchen jede Stimme! Zuviel ist zuviel – wir wollen keine 10-Millionen-Schweiz!“  Die Konsequenzen der zunehmenden Überbevölkerung der kleinen Schweiz sind gravierend. Für die eine Million Zuwanderer der vergangenen 13 Jahre mußte eine Fläche im Umfang von 57.000 Fußballfeldern überbaut werden. Das seien 407 Millionen Quadratmeter Natur, die zubetoniert wurden. Dies unter anderem für rund 454.000 neue Wohnungen.

Zusätzlich seien 541.000 Personenwagen im Straßenverkehr dazugekommen. Dies, so die SVP weiter, führe zu überfüllten Straßen und Zehntausenden von Staustunden. Hinzu käme, das „billige EU-Ausländer“ Schweizer Arbeitskräfte aus dem Arbeitsmarkt verdrängten. „Deshalb müssen wir Schweizerinnen und Schweizer wieder selber über die Zuwanderung bestimmen können. Dazu braucht es ein Ja zur Begrenzungsinitiative“, so die rechtsbürgerliche Partei. 

Am 27. September 2020 werden die Schweizer Stimmberechtigten über fünf Vorlagen abstimmen. Eine davon ist die von der SVP lancierte Volksinitiative „Für eine maßvolle Zuwanderung“. „Eine von der EU diktierte Zuwanderung führt zu irreparablen Schäden in unserem politischen Gefüge und zerstört die Schweiz, wie wir sie heute kennen“, kritisiert SVP-Nationalrat Thomas Aeschi und betont: „Unser Land mußte in den vergangenen 30 Jahren mehr als das sechsfache Bevölkerungswachstum von Deutschland verkraften. Seit 1990 ist unsere Einwohnerzahl aufgrund der Zuwanderung um über ein Viertel gewachsen.“ 

Schweizer wollen den Vaterschaftsurlaub

Doch steht die SVP mit ihrem Anliegen alleine da. Bundesrat und Parlament lehnten die Initiative ab. Begründung: Sie gefährde den bilateralen Weg mit der EU, stelle die stabilen Beziehungen der Schweiz zu ihrer wichtigsten Partnerin in Frage und setze somit Arbeitsplätze und Wohlstand aufs Spiel – und das in einer Zeit großer wirtschaftlicher Unsicherheiten.

Einer Umfrage der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) zufolge lehnen 63 Prozent der Befragten die „Begrenzungsinitiative“ der SVP ab. Eine Mehrheit von 56 Prozent dagegen spricht sich für die Erneuerung der Schweizer Luftwaffenflotte aus. Die bestehenden Kampfflugzeuge sind in die Jahre gekommen und müssen außer Betrieb genommen werden. Regierung und Parlament wollen darum bis 2030 neue Kampfflugzeuge beschaffen. Dafür sind höchstens sechs Milliarden Franken vorgesehen. Für die Grünen ist dies nur ein unnötiger Luxus. 

Ebenso für ein Nein plädieren die Grünen zum „mißratenen Jagdgesetz“, das den „Artenschutz massiv“ abbaue. Laut Bundesrat erfüllt es jedoch wichtige Anliegen: „Erstens stärkt es den Schutz vieler Wildtierarten. Zweitens bietet es eine pragmatische Lösung für den Umgang mit dem wachsenden Wolfsbestand. Der Wolf bleibt aber eine geschützte Tierart. Die Rudel bleiben erhalten.“

Während sich laut SRG ein Ja zu neuen Kampfjets abzeichnet, stehe das Jagdgesetz auf der Kippe. Die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs ist dagegen unbestritten. Eine Trendwende zeichnet sich beim Steuerabzug für Kinder ab. 52 Prozent der Befragten lehnen die Vorlage zu den Abzügen für Kinder bei der Bundessteuer ab.