© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/20 / 25. September 2020

Zeitschriftenkritik: Tumult
Die AfD und der Verfassungsschutz
Werner Olles

Herausgeber Frank Böckelmann geht in der Vierteljahresschrift für Konsensstörung Tumult (Herbst 2020) mit der AfD hart ins Gericht. Die Partei lasse sich von sogenannten „Blindbegriffen“ (Reinhart Koselleck) wie „demokratiefeindlich“, „menschenverachtend“, „verfassungswidrig“, „völkisch“ und „nationalistisch“ irritieren, die von den Lückenmedien, dem Zwangsgebühren-TV und den Altparteien, die sie benutzen, so gut wie nie erklärt würden. Die AfD weise sie hingegen auf eine Weise zurück, die sie zugleich geständig mache. Doch komme es darauf an, „das Blendwerk zu entzaubern“. Die Neigung zur Defensive beruhe auf der Illusion, es genüge ein von der Union aufgegebenes Bürgertum aufzufangen, doch um die „Begriffsknechtschaft abzuschütteln, muß sie vielmehr allen Gruppen, die der kulturelle und wirtschaftliche Globalismus dem Horror vacui aussetzt, ihrer Orientierung beraubt und unmittelbar oder mittelbar in ihrer Existenz gefährdet, eine Herkunft und Eigenart hochschätzende Alternative bieten“. Es reiche nicht, wenn Jörg Meuthen das Urteil des Verfassungsschutzes in Frage stelle, dies gelte auch für die Kriterien der Urteilsbegründung. Die AfD brauche eigene Worte, die der Suggestivkraft einer „humanitaristischen Ideologie“ (Arnold Gehlen) mit ihren „Blindbegriffen“ standhielten. Böckelmanns Vorschläge: „Volkssouveränität“, „Opferbereitschaft“, „politische Gründung Europas in gemeinsamer Gegenwehr“, „Rückkehr ins Naheliegende: Selbstversorgung, Selbstschutz mit Naturschutz“, „Verpflichtung zur Dankbarkeit gegenüber dem kulturellen Erbe“.

Baal Müller betrachtet das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD näher und kommt zu dem Ergebnis, daß allein die Existenz einer als „Verfassungsschutz“ firmierenden Behörde, die über die Gesinnung der Bürger wacht und vor angeblich verfassungsfeindlichen Bestrebungen warnt, „für eine westliche Demokratie eine Besonderheit ist“. Da aber das Parteiprogramm nicht ausreiche, um die gewünschten „verfassungsfeindlichen Bestrebungen“ zu konstruieren, werde zu Kontaktdokumentationen der linksextremistischen „Antifa“ gegriffen. Dies bedeute jedoch, daß Denunziationen als behördliche Gesinnungskontrolle dienen. Müllers Fazit: „In einem Rechtsstaat können nur Taten unterbunden oder bestraft werden, nicht Gedanken.“

„Warum Dummheit funktioniert“ erklärt Peter J. Brenner damit, daß „die Frage nach der Wahrheit in der Politik nur begrenzten Platz hat“. „Hochwertbegriffe“ wie „offene Gesellschaft“, „Menschenwürde“, „Humanität“ und „Menschheit“ verdichteten sich zu „affektiv aufgeladenen, selbstreferentiellen Begriffssystemen, die sich jeder Begründungszumutung entziehen“. Ein „Jargon der Weltoffenheit“ lege ein Gewebe über das Bewußtsein der Menschen, trübe ihre Wahrnehmungsfähigkeit und lähme ihre Urteilskraft. Doch könne dumm zu sein oder sich dumm zu stellen zumindest im Wohlstands- und Versorgungsstaat eine enorme Lebenserleichterung bedeuten.

Kontakt: Frank Böckelmann, Nürnberger Str. 32, 01187 Dresden. Das Einzelheft kostet 10 Euro, ein Jahresabo 40 Euro.

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