© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/20 / 02. Oktober 2020

Konflikt um Bergkarabach eskaliert
Der Sultan hat freie Hand
Thomas Fasbender

Der aserbaidschanische, durch türkische Söldner unterstützte Vorstoß gegen das armenisch besiedelte Bergkarabach hat Moskau auf dem falschen Fuß erwischt. Da haben die Russen beide Seiten mit Waffen versorgt, aber offensichtlich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Hinzu kommt: Das Territorium der selbsternannten Republik Arzach (Region Bergkarabach) gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan. Streng gesehen erobert Baku mit türkischer Hilfe die Kontrolle über das eigene Staatsgebiet zurück.

Jetzt rächt sich, daß Rußland für die diversen Konfliktherde in seinem ex-sowjetischen Hinterhof immer noch keine Lösung gefunden hat, von Bergkarabach bis Transnistrien. Ein Waffenstillstand, auch wenn er 30 Jahre währt, ersetzt keine nachhaltige Befriedung. Die EU hat außer Friedensappellen nichts auf der Pfanne. Das Nato-Mitglied Türkei spielt Katz und Maus mit ihr. Erdogan zündelt im Nahen Osten, in Nordafrika, im östlichen Mittelmeer. Und jetzt im Kaukasus.

Auch auf dem Balkan ist er aktiv. Er hat 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge in der Hinterhand – und die Angst der Europäer ist seine Verbündete. Angst vor dem Grenzübertritt der Millionen, aber auch Angst davor, sich diesem Grenzübertritt mit Gewalt entgegenzustellen. Solange Europa seine Komfortzone nicht verlassen will, hat der Sultan freie Hand.