© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/20 / 02. Oktober 2020

Männlichkeit, die Leid verursacht
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Der Bericht zur „Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer“ fällt durch seltsame Wortwahl auf
Björn Harms

Auf Jungen und Männern in Deutschland lastet eine schwere Bürde. Sie trügen „Verantwortung für ihre patriarchale Dividende“, heißt es im am Montag vorgestellten Bericht zur „Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer in Deutschland“, herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Die Väterherrschaft als ewige Last also? Keine Sorge – das sei „keine Erbschuld“, beschwichtigt die Behörde. Es sei lediglich „notwendig und zumutbar, daß Jungen und Männer Frauenemanzipation unterstützen, zurückstehen, Verzicht leisten, auch ‘einfach mal die Klappe halten’“. Ob das die richtige Wortwahl ist, um sich – wie Franziska Giffey im Vorwort ankündigt – künftig vermehrt um die Sorgen und Nöte von männlichen Heranwachsenden zu kümmern? Schließlich seien die Anliegen der Männer lange Zeit „weitgehend übersehen“ worden. 

Jungen und Männer, so ist man sich im Bundesministerium jedenfalls sicher, wollen „jenseits von Geschlechterklischees frei und gut leben“. Deshalb müsse Gleichstellungspolitik „zeitgemäße Rollenmodelle fördern“ und dabei sowohl „die breite Masse heterosexueller weißer Cis-Männer ansprechen“, heißt es im besten Feminismus-Jargon, aber auch „die Anliegen jener Männer aufnehmen, die in der einen oder anderen Form ‘anders’ sind“. Rollenerwartungen von Erziehern seien noch immer „stereotyp geprägt“, bemängeln die Autoren des Berichts. Eine Studie für das BMFSFJ habe festgestelt, daß männliche Fachkräfte häufiger für die „wilden Jungs“ zuständig seien, mehr „rauften und rangelten“. Diesen Prozessen müsse durch „eine verbesserte Geschlechterbalance unter Erziehenden wie auch mit einem „reflektierteren Umgang mit Genderstereotypen“ entgegengetreten werden.

Eine auseinanderdriftende Geschlechterbalance gibt es auch in Sachen Bildung. Gerade Jungen sind den heutigen Anforderungen in der Schule tatsächlich immer weniger gewachsen. Mädchen machen häufiger bessere Abschlüsse – im Gegensatz zu früher. „In der Generation der heute über 55jährigen haben Männer einen insgesamt höheren formellen Bildungsgrad als Frauen. Dieses Ungleichgewicht schwächt sich in den jüngeren Generationen nicht nur ab, sondern wendet sich ins Gegenteil“, warnt das Bundesministerium. Diese Dynamik finde sich sowohl bei Heranwachsenden ohne Migrationshintergrund als auch mit. Doch während einige Bildungsforscher die „Feminisierung der Bildung“ dafür verantwortlich machen, sucht man im Bericht die Schuld an gegensätzlicher Stelle. Jungen würden an einer noch immer vorherrschenden „männlichen Sozialisation“ leiden, die uniformiere, „Entwicklung und Vielfalt“ begrenze und „viel Leid und Wut“ verursache.

Mitunter streut das Ministerium auch Falschinformationen, etwa bei ihrer Kritik an „starken Beharrungskräften“ in den „Erbwerbsbiographien“. Der „Gender Pay Gap“, also der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern, „beträgt noch immer 21 Prozent“, heißt es im Text. Gerade einer Bundesbehörde sollte bekannt sein, daß dieser Mythos längst widerlegt ist. Denn rechnet man Faktoren wie die bei Frauen und Männern unterschiedliche Studienwahl beziehungsweise Berufswahl, den Entschluß zur Teilzeitarbeit oder den Willen zu Überstunden heraus, beläuft sich der bereinigte „Pay Gap“ in Deutschland auf 5,5 Prozent. Doch unterschiedliche Berufswünsche scheinen Franziska Giffey ein Dorn im Auge zu sein. Zu prüfen seien „Männerquoten in Sozial­- und Erziehungsberufen“, heißt es im Text.