© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/20 / 02. Oktober 2020

Zeitschriftenkritik: Unter Verschluß
Was wußte der Waffen-SS-General?
Werner Olles

Die Gerüchte, die sich mit dem militär-technologischen Wirken und dem Tod beziehungsweise geheimnisvollen Verschwinden des Generals der Waffen-SS, Hans Kammler, ranken, sind Legion. Bekanntlich war Himmler in Konkurrenz zu Forschungsprojekten der deutschen Wehrmacht vor allem an der Entwicklung sogenannter „Wunderwaffen“ interessiert. Auf flugtechnischem Gebiet koordinierte Kammler entsprechende Arbeiten. Angeblich soll der Geheimwaffen-Chef am 9. Mai 1945 in einem Wald bei Prag Selbstmord begangen haben.

Der deutsche Historiker Rainer Karlsch, der vor Jahren durch seine Veröffentlichungen zur deutschen Atombombe zum Prügelknaben der Qualitätsmedien wurde, entlarvte Kammlers mutmaßlichen Tod als „Deckgeschichte“, was auch von Gefolgsleuten des Inspekteurs der Düsenjägereinheiten bestätigt worden sei. Demnach sei Kammler wegen seines Wissens um modernste Geheimwaffen vom US-amerikanischen Militärgeheimdienst CIC in Gewahrsam genommen und vom OSS, dem Vorläufer der CIA, in die USA verbracht worden. Dies decke sich auch mit der Aussage des Geheimdienst-Chefs der U.S. Air Force in Europa, George McDonald. Kammler, dessen Leute nicht nur an der Produktion chemischer und biologischer Waffen, dem Bau und Einsatz der V-Waffen und von Raketen mit Sprengkörpern arbeiteten, sondern sich auch mit atomarer Forschung und Strahlflugzeugen beschäftigten, führten entsprechende Experimente noch bis in den Februar 1945 durch, als russische Truppen bereits an der Oder und US-Einheiten unweit des Rheins standen.

Der 1935 in die USA ausgewanderte Raketeningenieur Willi Ley erinnert sich, daß die wehrwissenschaftliche Bedeutung dieser Versuche nur an der kriegswirtschaftlichen Lage scheiterte, die eine Fortsetzung nicht länger zuließ. Für die US-Geheimdienste sei es wichtig gewesen, daß Kammlers Wissen nicht in die Hände der Sowjets fiel.

Ein weiterer Beitrag in der aktuellen Ausgabe (September/Oktober 2020) der zweimonatlich erscheinenden Zeitschrift Unter Verschluß (Untertitel: „Informationsdienst zu Geheimprojekten im Zweiten Weltkrieg“) befaßt sich mit Kryptoverfahren während des Zweiten Weltkrieges. Während zur Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs von Wehrmacht, Polizei, Abwehr, SD, Reichspost und Reichsbahn die Rotor-Schlüsselmaschine „Enigma“ eingesetzt wurde, deren Funksprüche jedoch von den Alliierten kontinuierlich entziffert wurden, wurde für besondere Zwecke die von Spezialisten entwickelte Kryptotechnik benutzt, die allerdings erst gegen Ende des Krieges angewandt wurde. Sie sollte die „Enigma“ ablösen, deren Schwächen bekannt waren. Die Bedeutung der deutschen Kryptotechnik ist indes bis heute nur ungenügend erforscht, obwohl im Forschungsamt des deutschen Luftfahrtministeriums, bei dem es sich um den größten Geheimdienst des Reiches handelte, Görings Lauscher sogar die Kommunikation zwischen Churchill und Roosevelt abhörten.

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