© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/20 / 02. Oktober 2020

Frisch gepresst

Vorgeschichte 1939. Über den deutschen Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop hat sich, dank kräftiger Mithilfe mitunter auch vor Quellenfälschung nicht zurückschreckender Zeithistoriker, im kollektiven Gedächtnis das Bild eines Kriegstreibers festgesetzt. Ribbentrop habe Hitler ein unzutreffendes Bild von der angeblich fehlenden englischen Bereitschaft vermittelt, deutscher Revisionspolitik in Mitteleuropa notfalls militärisch Einhalt zu gebieten. Damit trage seine „lächerlich falsche Einschätzung“ des Empire, wie es Hitlers Vorgänger Franz von Papen 1952 in seinen Memoiren formulierte, eine Mitverantwortung für die 1939 umgesetzten „aggressiven Pläne“, die „uns alle in die Katastrophe getrieben haben“. Daß ein Weltkrieg nicht nach einer so simplen Schwarz-Weiß-Dramaturgie zu „entfesseln“ ist, ist die Botschaft einer weiteren Publikation zur deutsch-britischen Beziehungsgeschichte des Historikers Stefan Scheil, die sich dem für Hitler bestimmten „Hauptbericht“ zuwendet, der Ende 1937 das Fazit von Ribbentrops Tätigkeit als deutscher Botschafter in London zieht. Hier läßt der spätere Reichsaußenminister keinen Zweifel darüber aufkommen, daß der „Herrscherwille der englischen Führungsschicht“ ungebrochen sei und sie gegen eine deutsche Hegemonie in Europa „kämpfen“ werde. Das war keine „lächerliche“, sondern eine ziemlich realistische Einschätzung. (ob)

Stefan Scheil: Abschreckungspläne. Der Hauptbericht Joachim von Ribbentrops als deutscher Botschafter in London vom Dezember 1937, Helios Verlag, Aachen 2020, gebunden, 185 Seiten, 19,90 Euro





DDR-Opfer. Zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit wird der Opfer „politischer Verfolgung, politischer Haft und politischem Mord in der ehemaligen DDR“ allenfalls noch in einigen Sonntagsreden gedacht. So klagt der pseudonyme Herausgeber der Beiträge von Betroffenen des DDR-Unrechtsregimes, daß seine von ihm 1990 mitbegründete „Hilfsorganistion für die Opfer politischer Gewalt in Europa“ (Help e.V.) im Frühjahr 2018 wegen fehlender finanzieller Mittel ihre Unterstützungsarbeit einstellen mußte. Der bereits 2003 von Help e.V. herausgegebene und nur mehr antiquarisch zugängliche Band mit „umfassenden Einblicken in die dunkle DDR-Seite“ liegt nun, ergänzt um einige Gastbeiträge und einen Aufsatz von Hubertus Knabe, erneut vor. (bä)

Alexander: Das gestohlene Leben. Europäische Literatur Initiative, Leizig 2020, broschiert, 275 Seiten, 14,70 Euro