© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/20 / 09. Oktober 2020

Nationalismus und Identität im faschistischen Fußball
Eine unheilige, aber erfolgreiche Allianz
(ob)

Der italienische Nationalstaat, 1861 gegründet, gilt Historikern im westeuropäischen Vergleich immer noch, ähnlich dem 1871 aus der Taufe gehobenen zweiten Deutschen Reich, als „verspätet“. Entsprechend hatte die landsmannschaftlich sehr heterogene Nation bei der Ausbildung des Nationalgefühls großen Nachholbedarf. Territoriale Zugewinne nach dem Ersten Weltkrieg, Südtirol und Teile des Friaul, haben die Bemühungen, für den Einheitsstaat den mental dazu passenden Italiener zu erziehen, der seine regionale durch eine nationale Identität ersetzen sollte, nicht erleichtert. Um so wertvoller sei nach der Machtergreifung Benito Mussolinis der Fußballsport als Katalysator der Nationalisierung der Massen gewesen, wie der Bielefelder Historiker David Gilgen in einer Studie über „Fußball im Faschismus“ zeigt (SportZeiten, 1/2020). 1926 vollzog sich mit der Charta von Viareggio der Wandel vom Amateur- zum Profi-Fußball, und gleichzeitig entstand eine Liga, die nur Spieler mit italienischen Wurzeln zuließ, um mit dieser Identifikation die Einheit Italiens zu verkörpern. Das auf biologischer Erblichkeit beruhende Nationalitätskonzept der Charta habe damit rassistische Kategorien lange vor den im Herbst 1938 erlassenen Rassengesetzen etabliert. Der Fußball mit seiner enormen Popularität trug somit dazu bei, solche „rassistischen Vorstellungen“ zu verbreiten und zu verstärken. 


 www.werkstatt-verlag.de