© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Bundestag beschließt Wahlrechtsreform
Ein Satz, ein Peitschenhieb
Jörg Kürschner

Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015 ist klar: Bundeskanzlerin Angela Merkel fehlt es an Respekt und Stil vor demokratischen Institutionen. Die soeben vom Bundestag beschlossene „Wahlrechtsreform“ ließ sie nach einer nächtlichen Koalitionsrunde von den vier Parteivorsitzenden verkünden. Im Kanzleramt. Daß nur die SPD-Chefin Saskia Esken dem Parlament angehört – geschenkt. Dort verabschiedeten sich die Fraktionsführungen von Union und SPD von dem ungeschriebenen Grundsatz, bei Wahlrechtsfragen nach einem breiten Konsens zu suchen.

Man erinnere sich: Vom „Durchregieren“ sprach Merkel zu Beginn ihrer Amtszeit 2005. Jetzt, zu deren baldigem Ende, düpiert sie mit ihrer Amtsführung nicht nur die höchste deutsche Volksvertretung, sondern auch deren Präsident.

Wolfgang Schäuble leitete die Wahlrechtsdebatte nicht, verfolgte sie vielmehr schweigend. Um sich bei der Abstimmung zu enthalten. Begründung des Abgeordneten mit der längsten (48 Jahre!) parlamentarischen Erfahrung: „Die vorgesehenen Maßnahmen sind zu der dringend notwendigen Reform kaum geeignet und reichen nicht aus.“ Ein Satz, ein Peitschenhieb. Noch Fragen? Zu richten an das Bundesverfassungsgericht, das das eilig durchgepeitschte Gesetz bald überprüfen dürfte.