© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Weltbank und IWF fordern Schuldenschnitt für arme Länder
Geld korrumpiert
Reiner Osbild

Innerhalb von zwei Jahrzehnten konnten global etwa 600 Millionen Menschen der Armut entrinnen und in ein besseres Leben aufsteigen. Die Anti-Corona-Maßnahmen drohen nun 100 bis 150 Millionen Menschen zurück in die Armut zu stürzen. Ein Grund ist die typische Wirtschaftsstruktur ärmerer Länder: Tätigkeiten als Tagelöhner, Bauern oder Händler können nicht ins Homeoffice verlagert werden. Der örtliche Gesundheitssektor war unvorbereitet. Oft fehlte es an Devisen, da privates Kapital abgezogen und in sichere Häfen wie den Dollar- oder Euroraum umgeschichtet wurde.

Der Einbruch der Wirtschaftstätigkeit und der Bedarf an zusätzlichen öffentlichen Mitteln wurde vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bisher mit Milliardenzuschüssen oder -krediten abgefedert. Hingegen spielten Schuldenerleichterungen mit gerade mal 250 Millionen Dollar bislang nur eine geringe Rolle. Wenn Weltbank und IWF jetzt einen Schuldenschnitt fordern, dann wird das kurzfristig den betroffenen Ländern helfen; langfristig drohen unerwünschte Nebenwirkungen.

Doch Gelder von außen wurden in der Vergangenheit nicht immer sachgerecht verwendet. Korrupte Eliten stopften sich auf Kosten ihrer Landsleute die Taschen voll – warum sollte sich das jetzt ändern? Auf der Geldgeberseite ist, da Covid-19 laut IWF insbesondere die Position der Frauen geschwächt hat, der ideologische Boden bereitet für höhere öffentliche Ausgaben und mehr Einmischung des Staates in die Wirtschaft.

Es waren aber gerade nicht die staatlichen, supranationalen Programme, die den besagten 600 Millionen Menschen den Weg aus der Armut wiesen, sondern marktwirtschaftliche Reformen, besonders in Asien. Diese Fortschritte drohen jetzt aber zunichte gemacht zu werden: durch größtenteils undemokratische Regierungen, die über mehr Geld und Einfluß verfügen werden denn je; durch Auflagen, die den Präferenzen westlicher Organisationen folgen statt den Bedürfnissen der Menschen; durch neu gedrucktes Geld, das politisch bestands- und ökonomisch strukturerhaltend wirkt.

Für die Gläubiger eines Schuldenerlasses wird sich kurzfristig nicht viel ändern. Es sind die berühmten „peanuts“, über die wir hier reden. Wenn aber die Wachstums- und Entwicklungschancen ärmerer Länder leiden, dann werden auch die westlichen Länder das langfristig zu spüren bekommen: durch wegbrechende Exporte und steigende Migrationszahlen. Daher sind – wie bei jedem Medikament – die Langzeitwirkungen zu beachten. Wenn man bedenkt, daß der IWF insgesamt eine Billion Dollar an Feuerkraft bereithält, um den ärmeren Ländern zu „helfen“, dann sollten die Alarmglocken läuten. Geld stinkt nicht, aber es korrumpiert.






Prof. Dr. Reiner Osbild ist Ökonom und Ordinarius an der Hochschule Emden/Leer.