© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

CD-Kritik: Francis Poulenc, Camille Saint-Saëns
Jahrmarkt vor Kirche
Jens Knorr

Die Symphonie No. 3 „avec orgue“, mit Orgel, zählt nicht gerade zu den selten zu hörenden Kompositionen von Camille Saint-Saëns, und auch unter dem Dirigat des im vorigen Jahr gestorbenen Mariss Jansons gibt sie keine Geheimnisse über die hinaus preis, die sie längst preisgegeben hat. Die sogenannte „Orgelsymphonie“ scheint für Iveta Apkalna, Titularorganistin der Klais-Orgel in der Hamburger Elbphilharmonie, auf den Konzertplan des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks gesetzt worden zu sein.

Als Gott der Orgel wollte Saint-Saëns die Symphonie als getreues Abbild der Schöpfungsharmonie geben. Die Anstrengung des Herrn der Weltharmonie, die Widersprüche aus dem eigenen royalen Rückblick in die Musikgeschichte und damit aus Gottes in einer Woche zusammengestümperter Welt wegzuzaubern, hört man Symphonie und Welt in dem Zusammenschnitt mehrerer Aufführungen kaum mehr an.

Wesentlich ausgeschlafener kommt da das Konzert für Orgel, Streichorchester und Pauken in g-Moll, FP 93, von Francis Poulenc an, in dem der Komponist sein Vexierspiel mit Bruchstücken untoter Vergangenheiten treibt. In der 1938 uraufgeführten Komposition sieht sich der Hörer auf der Kirchenschwelle: Blickt er in das Kircheninnere hinein, hört er den Jahrmarkt, blickt er auf den Jahrmarkt hinaus, hört er das Orgelwerk.

Saint-Saëns Orgelsymphonie Poulenc Orgelkonzert BR-Klassik 2020  www.br-klassik.del www.apkalna.com