© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Sich selbst besiegen
In „Mrs. Taylors Singing Club“ zeigen Soldatenfrauen, was in ihnen steckt
Dietmar Mehrens

Es tut sich was hinter den Mauern der Garnison von Flitcroft: Nicht Schüsse hallen da von den Wänden der Kompaniegebäude wider, sondern Klavierklänge. Die Flitcroft „Military Wives“, so der Originaltitel dieses englischen Spielfilms, also die Ehefrauen von Angehörigen der britischen Armee, trainieren nicht für einen Kampfeinsatz, sondern für ihren großen Auftritt in der Royal Albert Hall. 

Es begann, was sich derart verheißungsvoll entwickelt hat, mit gelangweilten – und wegen der nicht ungefährlichen Einsätze ihrer Männer – auch geängstigten Frauen: Aus der Not, dem monotonen Kasernenalltag etwas Abwechslung abgewinnen und für Ablenkung sorgen zu müssen, entsteht die Idee zu einem Chor. Treibende Kraft dabei sind Kate Taylor (Kristin Scott Thomas), die Gattin eines Colonels, und Lisa (Sharon Horgan), die eigentlich für die Soldatenfrauenbespaßung zuständig ist, was erste Konflikte nach sich zieht.

Zu ihnen gesellt sich Sarah (Amy James-Kelly), die nach einem Verlust unter lähmender Trauer leidet und das Schicksal der Offiziersgattin teilt: Kates Sohn starb bei einem Militäreinsatz.

Rasch lassen sich weitere Damen aus der Lethargie reißen. Die Initiative zieht Kreise und schließlich bekommt man sogar im fernen London Wind von den sangesfreudigen Frauen. Eine Einladung in die berühmte Royal Albert Hall flattert Flitcroft ins Haus. Mrs. Taylor und ihren fabelhaften Flitcroft-Frauen bleiben aber nur knappe fünf Monate Zeit, um sich stimmlich und organisatorisch so in Form zu bringen, daß der Auftritt vor so erlesenem Publikum keine Blamage wird.

Vorbild für weitere Armeefrauenchöre

Es gibt Filme, bei denen man schon am Anfang weiß, wie sie enden werden. Und sie strengen sich auch gar nicht groß an, die Spuren, in denen sie wandeln, zu verleugnen. Spuren, wie sie „Sister Act“ (1992) in der Kinohistorie hinterlassen hat, die legendäre Chorkomödie, in der Whoopi Goldberg ein Nonnenkloster zum Vibrieren brachte, die englische Komödie „Mit Pauken und Trompeten“ (1996), der schwedische Film „Wie im Himmel“ (2004) oder der französische „Das Konzert“ (2009): Am Ende der von Publikum und Presse beklatschten Inszenierungen steht jedes Mal ein umjubelter Auftritt des zusammengewürfelten Haufens von Hobbymusikern und damit ein Triumph der Beharrungskräfte über die von Skepsis und Selbstzweifel. Sich selbst zu besiegen ist schließlich der schönste Sieg. Und die Randnotiz, daß uns hier keine plumpen Fiktionen serviert wurden, sondern wahre Begebenheiten, ist das Sahnehäubchen, das diesen Sieg krönt: Mrs. Taylors Idee, erfährt der Zuseher am Schluß, machte Schule, und ihr real existierender Gesangsverein wurde zum Vorbild für viele weitere Armeefrauenchöre. Ist das nicht schön?

„Mrs. Taylors Singing Club“ wirkt ein bißchen zu kalkuliert, zu sehr wie am Reißbrett für sein Zielpublikum entworfen. Der Film tut keinem weh und bereitet vielen Freude. Sicherlich vor allem denjenigen unter den Zuschauern (oder darf man sagen: Zuschauerinnen?), die sich mit der Situation des Gelangweilt-zu-Hause-Sitzens aufgrund eigener Befindlichkeiten bestens identifizieren können. So bleibt das größte Manko der britischen Wohlfühlkomödie sein deutscher Verleihtitel. Der Film heißt, wie eingangs erwähnt, im Original „Military Wives“. Und daraus konnte man nicht „Die Frauen von Flitcroft“ machen?

Kinostart ist am 15. Oktober