© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Rhetorische Allzweckwaffen
Eine ideologiekritische Betrachtung der Begriffe „Islamophobie“ und „Antimuslimischer Rassismus“
Wolfgang Müller

Als Schlagwörter erfreuen sich „Islamophobie“ und „Antimuslimischer Rassismus“ steigender Beliebtheit. Obwohl sie, streng semantisch betrachtet, nur hochprozentigen Nonsens ausdrücken. Beide Bezeichnungen sollten daher bei sprachsensiblen Menschen „Irritationen“ auslösen, meint der Politologe Armin Pfahl-Traughber (Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl). Ist doch Islamophobie mit Angst vor dem Islam zu übersetzen, während die, die diesen Neologismus als Vorwurf verwenden, Feindschaft gegen den Islam brandmarken wollen. Und wie steht es mit „Antimuslimischer Rassismus“? Sind Muslime neuerdings eine Rasse?

Wegen ihrer mangelnden „Trennschärfe“ hält Pfahl-Traughber beide Wendungen für ungeeignet, um das Phänomen einer breiten Ablehnung zu erfassen, auf die der per Massenmigration importierte Islam und seine fromme Anhängerschaft vor allem in den mitteldeutschen und osteuropäischen Gesellschaften immer noch stößt (Zeitschrift für Politik, 2/2020). Sie verdecken sogar, daß sich Islamfeindschaft sehr unterschiedlich artikuliert. Für den Brühler Politologen gilt es daher zu differenzieren zwischen verwerflicher Islamabwehr, die er unter „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (Wilhelm Heitmeyer) einsortiert, weil sie Muslime abwerte, allein weil sie Menschen seien, und einer begründeten menschenrechtlichen Kritik an dieser Religionsgemeinschaft, die Frauen und Homosexuelle diskriminiere und für die Judenfeindschaft zur kulturellen Identität gehöre.

Die Schwammigkeit von Kampfvokabeln wie „Islamophobie“ und „Antimuslimischer Rassismus“ resultiere offensichtlich nicht aus dem Unvermögen zur Reflexion, sondern sei beabsichtigt. Als Beispiel für solche strategisch planende Sprachpolitik, die etwa Islamkritik von Frauenrechtlerinnen wie Necla Kelek oder Alice Schwarzer als islamophob oder rassistisch denunziere, um sie mit „Rechtsextremismus“ gleichzusetzen, zieht Pfahl-Traugbher den seit 2016 jährlich erscheinenden European Islamophobia Report des Istanbuler Politologen Enes Bayrakli und seines in Salzburg lehrenden Kollegen Farid Hafez heran, letzterer seit 2010 auch Herausgeber eines Jahrbuchs für Islamophobieforschung. Berühmt-berüchtigt als transatlantisch bestens vernetzte „Stimme Erdogans“, ist Hafez, einst aktiv in der Muslimischen Jugend Österreichs und auf den Plan getreten als Lobredner der militanten Muslimbruderschaft, heute im Nebenamt auch Islamische Religion an Wiener Schulen unterrichtend, in den Medien der Alpenrepublik allgegenwärtig. 

Enge Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung 

Dank dieses fragwürdigen „Renommees“ erhielten er und Bayrakli für ihren Report satte 120.000 Euro an EU-Geldern, ausgezahlt im Rahmen des Brüsseler Programms „Zivilgesellschaftlicher Dialog zwischen EU und der Türkei“. Als organisatorischer Mitherausgeber des im Tarnkleid von Wissenschaft und Forschung daherkommenden Propaganda-Machwerks fungiert SETA, die Denkfabrik „Stiftung für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Forschung“, deren EU-Beziehungen Bayrakli „koordiniert“ hat. Diese Einrichtung verfüge über enge Kontakte zur türkischen Regierung. Ablesen lasse sich das schon daran, daß frühere Direktoren später hohe Regierungsämter einnehmen konnten. Folglich sei der Report ganz im offiziösen Duktus Ankaras so ausgerichtet, daß er „aufklärerisch-menschenrechtliche Islam- und rationale Religionskritik mit fremdenfeindlich hetzerischer Muslimfeindlichkeit“ in einen Topf werfe.

Diese plumpe Masche werde schon beim ersten Blick auf die Länderstudien Deutschland und Österreich deutlich. Mit buchhalterischem Eifer listet der Report „Gewalttaten gegen Moscheen und Muslime“ sowie angebliche „Herabwürdigungen durch rechtsextreme und rechtspopulistische Politiker“ auf. Um dann „ohne nähere Begründung“ zu „andersdenkenden Muslimen und kritischen Wissenschaftlern“ überzugehen. Dazu zählen für Bayrakli und Hafez die liberale Imamin Seyran Ates, die muslimische Menschenrechtlerin Saida Keller-Messahli, der islamische Theologe Mouhanad Korchide und die fundamentalismuskritische Frankfurter Islamforscherin Susanne Schröter. Außerdem gerät eine Aktion gegen Antisemitismus ins Fadenkreuz der von der EU finanzierten Lakaien Erdogans, weil sich deren Initiatoren erdreistet hätten, die Judenfeindschaft als „arabisch/türkisches bzw. muslimisches Problem“ zu benennen.

Um die Durchschlagskraft ihrer Agitation bei den Multiplikatoren der „Zivilgesellschaft“, in der Politik und in den Leitmedien zu erhöhen, weiten die beiden islamischen Glaubenskrieger und Lippendiener, von denen Hafez zeitweilig auch im österreichischen „Migrationsmanagement“ mitmischte, den Rassismus-Begriff derart uferlos aus, daß bei einem solchen „Rassismus ohne Rasse“ die Kritik von Kulturen wie der des Islam locker als „kulturrassistisch“ diffamiert werden kann. Darin äußere sich ein Kulturrelativismus, der allen Kulturen die gleiche Wertigkeit zuspreche, um das universalistische Menschenrechtsverständnis des Westens für unvereinbar mit dem des Islam zu erklären. Dessen Anspruch, „bedenkliche Gegebenheiten“ in anderen Kulturen, wie die Frauenunterdrückung und die Homophobie in islamischen Staaten, am Maßstab individueller Menschenrechte messen zu wollen, werde daher konsequent als „Menschenrechtsfundamentalismus“ oder schärfer als „Menschenrechtsimperialismus“ negiert. Was auf einen für Pfahl-Traughber unerträglichen „Menschenrechtsrelativismus“ hinauslaufe. Für den hätten sich die von Islamkritikern eingeforderten persönlichen Individualrechte nun einmal der sakrosankten, keinesfalls „täglich auszuhandelnden“ kulturellen Identität unterzuordnen, ganz wie es dem kollektivistischen Menschenbild des Koran entspreche. 

Floskeln im Kampf um die kulturelle Hegemonie

Die extrem dehnbare Gummifloskel „Antimuslimischer Rassismus“ bewährt sich im Kampf um die kulturelle Hegemonie, der gegenwärtig in multikulturell segmentierten „Einwanderungsstaaten“  ausgetragen wird, als türkisch-islamistische Allzweckwaffe. Deren enthemmter Einsatz im öffentlichen Meinungsstreit Pfahl-Traughber an sich keine Sorgen bereitet, da es in der pluralistischen Praxis des demokratischen Verfassungsstaates für jeden politischen Akteur legitim sei, für seine Auffassungen vom sozialen Zusammenleben Dominanz anzustreben. „Bedenklich“ werde es jedoch, wenn das islamische Hegemoniekonzept die menschenrechtlichen Grundlagen des westlichen Demokratiemodells verneine und sich gegen jede Kritik an seinem totalitaristischen Kern immunisieren wolle, indem die Mandatare Ankaras Tag und Nacht die Sirenen „Islamophobie“ und „Antiislamischer Rassismus“ aufheulen lassen.