© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/20 / 16. Oktober 2020

Die Mutter der globalen Umweltprobleme
Der Zusammenhang zwischen Überbevölkerung, Massenmigration und Klimawandel wird ausgeblendet
Dirk Glaser

Als „Volltreffer der Evolution“ pflegte der Zoologe Hubert Markl, bis 2002 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, die Spezies Mensch als die „erfolgreichste“ zu rühmen. Das klang Zeitgenossen wie dem Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt allzu pauschal. Denn gemessen an Biomasse oder Individuenzahl seien Bakterien „erfolgreicher als wir“. Bezieht man sich hingegen, wie Eibl-Eibesfeldt vorschlug, auf das Kriterium Differenzierungsfähigkeit einer Tierart, das heißt im Sinne seiner Fortpflanzungsmöglichkeiten angemessen auf Umweltveränderungen zu reagieren, sieht es anders aus. Darin ist der Mensch dank der Struktur und Leistungsfähigkeit seines Gehirns allen Arten zumindest der Möglichkeit nach überlegen, meint der emeritierte Berliner Humanbiologe und Anthropologe Carsten Niemitz in seiner Studie über „ein heikles genetisches Handicap“ des Menschen (Naturwissenschaftliche Rundschau, 7/20). Dessen unvergleichlich vielschichtige Hirnleistungen, aufbewahrt und überliefert in der Schriftkultur, begründen für Evolutionsbiologen seine Dominanz im Überlebenskampf.

Energiehunger, Artensterben und Umweltzerstörungen

Doch drohe der Mensch an diesem „Erfolg“ zu scheitern, weil er damit seine natürlichen Lebensgrundlagen zerstöre. Durch maßlose Nutzung von Kohle und Erdöl sei er zum allmächtigen Gestalter globaler, auch ökologisch tiefgreifender Umwälzungen aufgestiegen, deren Tempo im erdgeschichtlichen Rahmen sich nur als „explosiv“ bezeichnen lasse. Damit einher ging ein „nie dagewesenes Bevölkerungswachstum“, das in die Abwärtsspirale von unersättlichem Energiehunger, Ausbeutung natürlicher Ressourcen, Artensterben und Umweltzerstörungen unvergleichlichen Umfangs führte.

Weil in den 200.000 Jahren Menschheitsgeschichte vor Beginn der Industrialisierung für unsere in weiten Räumen lebenden Vorfahren ökologisch nachhaltiges Verhalten keine Überlebensnotwendigkeit war, wurde es genetisch auch nicht selektiert. „Unserem Genom fehlen schlichtweg die ein solches Verhalten betreffenden Gene.“ Nur deswegen, weil der genetische Sensor für ökologische Belastungsgrenzen fehlt, konnte sich die Überbevölkerungs-, neben der Biodiversitäts- und Nitrat-Krise, zur größten Bedrohung der Menschheit entwickeln. Die „Klimakrise“ rangiert seit 2009 auf offiziellen Ranglisten der Bedrohungsszenarien übrigens erst auf Platz 5.

Ungeachtet geringer Populationsdichte sei schon zu prähistorischer und zu vorindustrieller Zeit nicht Klimaveränderung, sondern Vermehrung und Ausbreitung des Menschen für „Serien des Aussterbens“ ursächlich gewesen. Vor 65.000 Jahren, als der erste moderne Mensch Australien betrat, wirkte sich seine Anwesenheit zwar noch nicht meßbar auf die Beuteltiere aus.

Erst seine Expansion auf dem roten Kontinent drückte ihre Bestände auf zehn Prozent des Ausgangswertes herab, wie paläontologische Funde gut dokumentieren. Ähnlich wurden infolge austronesischer und afrikanisch-arabischer Einwanderung nach Madagaskar im achten Jahrhundert allmählich drei Viertel der großen madagassischen Säugetierarten ausgerottet. Ebenso effizient dezimierten Jagd, Rodung und Besiedlung – nicht etwa klimatische Faktoren – die amerikanische Säugetierfauna.

Solche „Nachhaltigkeitsverletzungen“ häuften sich mit zunehmender Annäherung an die Gegenwart. Daß sie kaum je Verhaltensveränderungen auslösten, beweise beispielhaft die schnell verpuffte Resonanz auf die zur Stabilisierung der Weltbevölkerung aufrufende Liste „World Scientists’ Warning to Humanity“, die 1992 1.700 Wissenschaftler unterzeichneten. Damals lebten 5,6 Milliarden Menschen auf der Erde, heute sind es 2,2 Milliarden mehr. Und schon damals schöpfte die Weltgemeinschaft jährlich den 1,2 fachen Subsistenzvorrat der Erde aus. Aktuell verbrauchen 7,8 Milliarden Menschen, zu denen sich täglich 260.000 hinzugesellen, 1,74mal soviel Ressourcen jährlich, wie sie die Biokapazität ihres Heimatplaneten in dieser Zeit zur Verfügung zu stellen vermag.

Lernverweigerung und verordnete Tatenlosigkeit

Alle heute als global eingestuften Umweltbedrohungen korrelieren seit Jahrzehnten mit der Zunahme der Weltbevölkerung. Neben dem Artensterben an erster Stelle steht dabei die Stickstoffbelastung, weil die Düngung der Felder verstärkt werden muß, damit das Wachstum der Ernteerträge mit dem der Geburtenraten Afrikas und Vorderasiens Schritt halten kann. Messungen des Umweltbundesamtes signalisierten bereits 2010, daß der Eintrag von reaktivem Stickstoff in die Weltmeere jährlich den dreieinhalbfachen Wert dessen erreichte, was der globale Stickstoffkreislauf bewältigen kann. „Diese Nitrat-Vergiftung der Meere ist letztlich eine Folge der wegen der menschlichen Vermehrung gesteigerten Nahrungsmittelproduktion.“

Auch die Schadstoffbelastung der Erdatmosphäre beruhe auf dieser von grünrotschwarzen Klimahysterikern notorisch ausgeblendeten Kausalität. Die Zivilisationskritiker wie Aldous Huxley schon 1960 erkannten: „Wenn wir das Problem der Überbevölkerung der Erde nicht lösen, werden alle anderen Probleme unlösbar.“ Und zur gleichen Zeit gewöhnte sich der Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek an, seine Geschäftsbriefe mit einem abgewandelten Cato-Zitat zu stempeln: „Ceterum censeo progeniem hominum esse deminuendam – Übrigens bin ich der Meinung, daß die menschliche Nachkommenschaft verringert werden muß“.

Diese „an sich einfache Logik“ hätten selbst viele Naturwissenschaftler bis heute nicht verinnerlicht. Was einen fatalen Mangel an Lernfähigkeit offenbare, den Niemitz eben jenem „genetischen Handicap“ zuschreibt, nicht auf die Gefahr enthemmter Reproduktion oder ihr vergleichbare globale Bedrohungsszenarien reagieren zu können. Hirnphysiologisch lasse sich dieser Defekt mit der Funktionsweise des Mandelkerns (Amygdala) erklären, der das emotionale Erleben und damit verknüpfte Verhaltensreaktionen des Menschen steuert.

Diese „Schaltzentrale“ erbringe ihre ursprünglich arterhaltenden Hochleistungen nur bei schneller und einmaliger Gefahrenabwehr – bei latenten oder unvorhersehbar bedrohlichen Ereignissen versage sie dagegen. Anders sei nicht zu verstehen, warum Millionen Menschen in Italien, Ecuador oder auf Island oder Java sich auch nicht durch wiederkehrende tödliche Eruptionen abhalten lassen, nahe aktiven Vulkanen zu siedeln. Ein Phänomen, dem man bei der kognitiven Nichtbewältigung globaler Bedrohungen wieder begegne.

Hier münden selbst mit hoher Sicherheit voraussagbare Entwicklungen selten in offensichtlich notwendige Abwehrhandlungen. Lieber verstrickt sich die Menschheit in Ablenkungsdiskurse etwa zum „Klimawandel“ und deklariert Massenmigration zum „humanitären Problem“, um wie Niemitz klagt, beim Überbevölkerungsproblem angesichts der hohen Geburtenziffern des globalen Südens in „selbstverordneter Tatenlosigkeit“ zu verharren.

Deutsche Stiftung Weltbevölkerung:  www.dsw.org

World Scientists’ Warning to Humanity:  www.ucsusa.org