© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/20 / 23. Oktober 2020

Jura schlägt Bio
Gesetzreform: Ein Kind soll bald auch ohne Adoptionsverfahren zwei Mütter haben können / Leiblicher Vater würde Rechte verlieren
Ronald Berthold

Mutter eines Kindes soll nicht mehr nur die Frau sein, die es geboren hat. Das sieht ein Gesetzentwurf von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) vor. Gleichzeitig will sie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ändern. Auch lesbische Frauen, die keine selbst zur Welt gebrachten Kinder haben, sollen so von Anfang an den Status einer leiblichen Mutter erhalten, wenn deren Partnerin Nachwuchs bekommt. Der leibliche Vater verliert alle Rechte. Für schwule Paare ändert sich nichts – hier bleibt es bei der bisherigen Adoptionsregel.

Den bisher gültigen Mutterschafts-Paragraphen 1591 im BGB will die Sozialdemokratin um einen zweiten Absatz ergänzen: „Mutter eines Kindes ist neben der Mutter nach Absatz 1 auch die Frau, die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter nach Absatz eins verheiratet ist oder die die Mutterschaft anerkannt hat.“ Diesen Frauen stünde damit automatisch das Sorgerecht zu.

„Mutter sollte ihr Kind nicht adoptieren müssen“

Der Entwurf geht über das hinaus, was Lambrechts Vorgängerin und Parteifreundin Katharina Barley geplant hatte. In deren Entwurf war noch von „Mit-Mutter“ die Rede. Im neuen Vorschlag gibt es keinerlei Hierarchie mehr, beide Frauen sind Mütter. Auch wenn die Ministerin ihr Vorhaben als einen „weiteren Schritt für die Gleichberechtigung homosexueller Paare“ bezeichnet, würden lesbische Frauen gegenüber Stiefvätern und auch -müttern aus heterosexuellen Beziehungen deutlich bessergestellt.

Diese müssen ein bürokratisch sehr aufwendiges, langwieriges und kostspieliges Adoptionsverfahren durchlaufen, um offiziell als leiblicher Elternteil zu gelten. Dafür sind unter anderem eine notarielle Urkunde, polizeiliches Führungszeugnis, Geburts- und Eheurkunde, unterschriebener Lebenslauf, ärztliches Attest und Einkommensnachweise nötig. Dann erst befaßt sich ein Familiengericht mit dem Ansinnen. In einer mündlichen Verhandlung müssen Kinder und Stiefelternteile glaubwürdig darlegen, daß der Adoptionswunsch auf familiärer Liebe beruht und nicht etwa erbschaftssteuerliche Vorteile bringen soll.

Seit sieben Jahren gilt dieses Verfahren auch für gleichgeschlechtliche Partnerinnen einer Frau mit Kind. Sie müssen es zunächst adoptieren, um nach dem Gesetz als Mutter zu gelten. Das jedoch empfinden lesbische Paare, so die Ministerin gegenüber der Süddeutschen Zeitung, „zu Recht als diskriminierend“. Lambrecht auf Twitter: „Eine Mutter sollte ihr Kind nicht adoptieren müssen.“ Mit dem neuen Gesetz will die 55jährige, selbst ledige Mutter eines Kindes, eine weitere grundlegende Änderung durchsetzen. Nach der „Ehe für alle“ von vor drei Jahren und dem Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare von 2013 wäre dies ein weiterer Schritt der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geführten Kabinette, den traditionellen Familienbegriff zu verändern.

Die Justizministerin begründet die Novelle auch damit, daß sich „die Gesellschaft“ für vielfältige Familienmodelle geöffnet habe. Patchwork-Familien, gleichgeschlechtliche Paare und nichteheliche Lebensgemeinschaften seien seit der letzten Änderung des Kindschaftsrechts von 1989 deutlich besser akzeptiert. Außerdem schaffe die Reform Rechtssicherheit für das Kind. Diejenige „Mutter“, die es nicht geboren hat, werde rechtlich einem Vater gleichgestellt. Das Kind habe damit im Falle einer Trennung des lesbischen Paares auch Anspruch auf Unterhaltszahlungen und wachse somit in möglichst gesicherten Verhältnissen auf.

Doch was ist mit dem leiblichen Vater des Kindes? Der spielt dann juristisch keine Rolle mehr. Er verliert seine Rechte genauso automatisch, wie die lesbische Partnerin der Mutter sie gewinnt. Denn ein Kind könne laut des Lambrecht-Entwurfes keine drei Elternteile haben. Leibliche Eltern wären nach der Gesetzesänderung ausschließlich die homosexuellen Frauen.

Als „Gängelung“ der Väter kritisiert diese geplante Regelung der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV). Die gemeinnützige Organisation wirft Lambrecht vor, „biologische Gesetze juristisch zu paralysieren und genderisch zu manipulieren“. Zudem spricht sie vom „einseitigen Rechtsempfinden der Justizministerin“ – zugunsten von Frauen.

Kritik kommt auch vom Verein „Vateraufbruch für Kinder“. Vorstandsmitglied Markus Witt betont: „Kinder sind Träger eigener Rechte und nicht das Zuordnungsobjekt von Bedürfnissen Erwachsener.“ Mit Bezug auf die UN-Kinderrechtskonvention wirft er Christine Lambrecht vor, „der Begriff der Eltern ist hierbei keine frei disponible Floskel, sondern an die Identität des Kindes gebunden“. Witt stellt klar: „Die Abstammung eines Kindes ist somit auch nicht an einen von zwei Erwachsenen gewählten Beziehungsstatus geknüpft, sondern an seine genetische Herkunft.“

Grünen, Linken und dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) geht die geplante Änderung dagegen nicht weit genug. LSVD-Pressesprecher Markus Ulrich verlangt ähnlich wie die beiden Parteien gegenüber der taz nicht nur die „rechtliche Anerkennung von Mehrelternschaft“, sondern auch die von „trans- und intergeschlechtlicher Elternschaft“.

Kein Problem mit dem Geschlecht der von der geplanten Änderung betroffenen Paare zu haben, betont der rechtspolitische Sprecher vom Koalitionspartner CDU, Jan-Marco Luczak. Er unterstreicht allerdings, es sei für ein Kind identitätsstiftend zu erfahren, wer sein leiblicher Vater sei. So könne es mit diesem eine Beziehung aufbauen, wenn es wolle. „Sowohl mit Blick auf die Interessen des Vaters, vor allem aber mit Blick auf das Kindeswohl müssen wir daher sehr sorgfältig abwägen, ob ein solcher Automatismus richtig ist“, sagte er der FAZ.