© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/20 / 23. Oktober 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Alles hat ein Ende
Paul Rosen

Wer auch immer die nächste Bundestagswahl gewinnt, eins ist jetzt schon gewiß: Dem nächsten Kabinett werden viele andere Köpfe angehören. Aus heutiger Sicht kann unterstellt werden, daß die Union wieder größte Regierungspartei wird. Da Kanzlerin Angela Merkel nicht länger als bis zur Regierungsneubildung nach der Bundestagswahl zur Verfügung stehen will, muß ein Nachfolger gefunden werden. 

Egal ob unter – vielleicht – einem Bundeskanzler Armin Laschet oder unter einem anderen: In der neuen, vielleicht schwarz-grünen Regierung werden bekannte Gesichter fehlen: So hört Innenminister Horst Seehofer (CSU) auf. Für den 71jährigen ist wichtig, daß er nicht vor seiner alten Feindin Merkel das Feld räumen muß, sondern mit ihr zugleich gehen kann. Bei der CSU geht auch Entwicklungshilfeminister Gerd Müller. Der aus dem Allgäu stammende Politiker hat einen bemerkenswerten Wandel vom konservativen Stänkerer zum Eine-Welt-Aktivisten hinter sich.

Andreas Scheuer wird das Verkehrsressort verlassen. Seine Qualen mit dem Maut-Untersuchungsausschuß sind nicht der einzige Grund für seinen Abschied. Aus der CSU ist zu hören, Parteichef Markus Söder wolle das ganze Ressort wegen der großen Probleme auf Schiene, Straße und im Luftverkehr loswerden. Auch die digitale Infrastruktur ist in manchem Entwicklungsland besser. Im Falle einer schwarz-grünen Koalition dürfte das Haus ohnehin einem Grünen-Politiker in die Hände fallen, der dann die „Verkehrswende“ umsetzen kann. Die CSU bevorzugt lieber ein „weiches“ Ressort, etwa das Familienministerium für ihre Vorzeigepolitikerin Dorothee Bär.

Bei der SPD sieht vieles nach Flucht aus: So will Justizministern Christine Lambrecht nicht mehr antreten. Sie war schon als Staatssekretärin im Finanzministerium überfordert und als Justizministerin eine Notlösung, weil die SPD keinen vorzeigbaren Kandidaten mehr aufbieten konnte. Familienministerin Franziska Giffey, die wegen einer Schummel-Doktorarbeit in der Kritik steht, zieht es in die Berliner Landespolitik (siehe Seite 4). Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann will ebenfalls aufhören.

Zwei Ehemalige aus der ersten Reihe gehen auch: Der frühere CDU-Generalsekretär und derzeitige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Peter Tauber und Ex-Innenminister Thomas de Maizière kandidieren nicht mehr. De Maizière war zuletzt im Finanzausschuß, wo ein weiterer Abschied bevorsteht: Der SPD-Finanzexperte Lothar Binding hört auf. Im Haushaltsausschuß endet mit dem Abschied des Groko-Duos Johannes Kahrs (SPD, der bereits ausgeschieden ist) und Eckhardt Rehberg (CDU) eine Ära.

Nur einer kommt wieder, will auch nach Merkel noch dabei sein: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich in seinem Wahlkreis bereits wieder aufstellen lassen. Daß der inzwischen 78 Jahre alte Schäuble sein 50jähriges Parlamentsjubiläum 2022 auf einer der hinteren Parlamentsbänke feiert, entspricht nicht seinen Vorstellungen.