© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/20 / 23. Oktober 2020

Das Pendel schlägt zurück
US-Präsidentschaftswahl: Demokraten wähnen sich als Sieger, da soll auch die Vergangenheit nicht stören
Liz Roth

Joe Biden, Polit-Veteran mit 47 Jahren Erfahrung in Washington, ist laut Umfragen klarer Favorit bei der Präsidentschaftswahl am 3. November. Die Financial Times geht davon aus, daß 51,6 Prozent der Stimmen an ihn gehen werden, während Amtsinhaber Donald Trump nur auf 42,5 Prozent hoffen kann. Auch im Electoral College sollen die Demokraten 207 Wahlleute sicher haben, während die Republikaner auf 125 von den benötigten 270 kommen.

Im recht eindimensionalen Wahlkampf sind die Demokraten über das Verhalten der Republikaner, aber insbesondere von Präsident Trump im Umgang mit der Corona-Krise verärgert. „Sie nehmen die Gefahr nicht ernst“, wettert Biden, „mein Großvater würde sagen, daß der Typ nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.“

Angebliche krumme Geschäfte mit der Ukraine 

Trotz hoher Neuinfektionen im Land weigert er sich, strengere Maßnahmen oder einen landesweiten Lockdown in Erwägung zu ziehen. „Über 200.000 Leben hat sein fahrlässiges Verhalten gekostet“, empört sich die Sprecherin des Kongresses, Nancy Pelosi, in einem Interview mit CNN. „Er benutzt seine eigene Erkrankung und schnelle Genesung, um das Virus herunterzuspielen.“ 

„Er hat keine Ahnung, was er tut“, betonen Biden und seine Vizekandidatin Kamala Harris immer wieder in ihrer Kritik an Trump. Sein scharfer Umgang mit China und der Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation im Zuge der Pandemie sind ihnen ein besonderer Dorn im Auge.

Der Oberste Gerichtshof ist so kurz vor der Wahl ein weiterer Konfliktpunkt. Nach dem Tod der Richterin Ruth Bader Ginsburg handelten die Republikaner schnell und nominierten die konservative Amy Coney Barrett für die Nachfolge. „Es ist ein Wahljahr, und sie sollten damit bis nach der Wahl warten“, kritisierte Harris das Vorgehen. Laut Joe Biden ist ihr Handeln „verfassungswidrig“. Er kündigte daraufhin an, eine Erweiterung des Gerichtshofs in Erwägung zu ziehen, um mehr demokratisch gesinnte Richter in der Judikative zu plazieren. 

„Wenn ich gewählt werde, dann gehen eure Steuern hoch“, teilte Biden seinen Unterstützern mit, da die Demokraten umbedingt die Steuersenkungen der Republikaner rückgängig machen möchten. Des weiteren planen sie einschlägige Gesetzesänderungen, die das Recht, Waffen zu tragen, drastisch einschränken sollen. Die Gesundheitsreformen Obamas weiterzuführen und eine Verstaatlichung der medizinischen Versorgung sowie das Thema „Klimawandel“ stehen ebenfalls ganz oben auf der Liste. 

Doch hängt ein Schatten über der Kampagne der Demokraten, und es könnte sie die Wahl kosten. Es geht um angebliche krumme Geschäfte von Joe Bidens Sohn Hunter im Ausland. Donald Trump wurde vergangenes Jahr die Nachfrage zu dem Thema beim ukrainischen Präsidenten Selenskyj zum Verhängnis, und die Demokraten begannen ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn mit der Begründung, er hätte sein Amt mißbraucht und die Ukraine unter Druck gesetzt, um Informationen über einen politischen Gegner zu erlangen. Doch brisante Enthüllungen der New York Post werfen nun – das Pendel schlägt zurück – ein neues Licht auf die Vorgänge in der Ukraine und geben weitere Details zu Hunter Bidens Geschäften. 

Rudy Giuliani, Ex-Bürgermeister von New York und Anwalt von Trump während des „Impeachment“-Verfahrens, spielte den Journalisten eine Festplatte mit E-Mails und Fotos von Hunter Biden zu. „Hunter Biden hatte im April 2019 sein MacBook Pro zur Reparatur in einem Computerladen in Delaware abgegeben und trotz mehrerer Kontaktversuche des Ladenbesitzers nie abgeholt“, erklärt Giuliani auf seinem Youtube-Kanal. 

Twitter und Facebook zensieren nach ihrem Gusto  

Laut Gesetz war der Computer nach neunzig Tagen herrenloses Gut und ging in den Besitz des Technikers. Ihm waren die Inhalte des Computers suspekt und er übergab ihn im Winter 2019 ans FBI. Er behielt eine Kopie der Festplatte, und nachdem er keine Rückmeldung erhalten hatte, wandte er sich mit der Festplatte schließlich an das Team von Giuliani. 

Auf der Festplatte befinden sich nicht nur Fotos, die Hunters Drogenkonsum deutlich zeigen, sondern auch Tausende E-Mails über Geschäfte mit der Ukraine und Mitgliedern der KP Chinas, die darlegen, daß Joe Biden doch involviert war. Zuvor hatte er immer betont, „nie“ mit seinem Sohn über dessen Geschäfte im Ausland gesprochen zu haben. 

 „Wir gehen davon aus, daß Joe Biden seine politischen Ämter nutzte, damit er und Hunter diese Geschäfte machen konnten“, so Steve Bannon, der mit Giuliani an dem Fall arbeitet. Der Anwalt von Hunter Biden, George Mesires, weigerte sich jedoch gegenüber der Post, eine Aussage zu machen. Stattdessen   griff er Giuliani an: Dieser habe „weithin Verschwörungstheorien über die Familie Biden verbreitet und sich offen auf Quellen verlassen, die mit dem russischen Geheimdienst in Verbindung stehen“. Mesires sendete einen Tag vor der Veröffentlichung der Geschichte eine E-Mail an den Besitzer des Computerladens, in der er Hunters Laptop zurückforderte.

Die New York Times oder CNN schweigen entweder über die Enthüllungen oder zweifeln an deren Echtheit.  an. Während einer TV-Runde wurde Biden keine Frage zu diesem brennenden Thema gestellt. Am folgenden Tag traute sich der CBS-Nachrichtenreporter Bo Erickson, Biden bei einer Veranstaltung in Michigan darauf anzusprechen. Biden ging wütend auf den Journalisten los. „Ich wußte, daß Sie das fragen würden“, feuerte er zurück. „Ich habe keine Antwort, es ist eine weitere Verleumdungskampagne, ganz nach Ihrem Geschmack. Das sind die Fragen, die Sie immer stellen.“

Twitter und Facebook brachten durch ihr Verhalten die Kontroverse zum Eskalieren. Die Technikgiganten unterdrückten die Reichweite des Artikels. Nutzer konnten den Artikel auf Twitter nicht mehr teilen. Auch ein Link zu der offiziellen Seite des Justizauschusses des Senats, der auf den Artikel verwies, wurde gesperrt. Der Post sowie Trumps Pressesprecherin Kayleigh McEnany, die den Artikel geteilt hatte, wurde der Zugang zu Twitter verweigert. 

Facebook-Sprecher Andy Stone ließ mitteilen, daß Facebook die Geschichte extern überprüfen lassen werde: „In der Zwischenzeit reduzieren wir seine Verbreitung auf unserer Plattform.“ 

Entgegen allen Fakten klassifizierte Twitter den Inhalt des Artikels als „hacked material“ und unterdrückte seine Verbreitung. Twitter ruderte zwar am Ende zurück, nachdem die Empörung im Netz angestiegen war. CEO Jack Dorsey räumte Fehler ein und muß sich nun vor dem Justizausschuß für die eindeutige Zensur der viertgrößten Zeitung der USA verantworten.