© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/20 / 23. Oktober 2020

9.900 Euro für den teuren Drittwagen
Wirtschaftspolitik: Hoher Steuerbonus für elektrische Firmenwagen / 6.750 Euro Zuschuß für Plug-in-Hybride
Marc Schmidt

Eine Million Elektroautos sollen in diesem Jahr auf deutschen Straßen unterwegs sein. Das kündigte Klimakanzlerin Angela Merkel vor zwölf Jahren an. Zu Jahresanfang waren aber lediglich 136.617 beim Kraftfahrt-Bundesamt registriert – bei insgesamt 58,2 Millionen Kraftfahrzeugen. Gründe für den mageren 0,2-Prozent-Anteil liefert der „Mobilitätsmonitor 2020“ der E-Auto-begeisterten Deutschen Akademie der Technikwissenschaften: 72 Prozent der Befragten halten die Anschaffungskosten für zu hoch. 60 Prozent monieren die geringe Reichweite und die langen Ladezeiten (siehe Graphik).

54 Prozent halten die Antriebstechnik für unausgereift – und aktuelle Meldungen bestätigen dies: Software-Ärger beim VW ID.3, Qualitätsmängel bei Tesla Model 3, Rückrufe oder Auslieferungsstopps wegen Brandgefahr bei Plug-in-Hybriden (Benziner, die einige Kilometer rein elektrisch fahren können) von BMW, Mini und Ford sowie beim E-SUV Hyundai Kona. Doch den Herstellern bleibt nichts anderes übrig, als E-Autos oder teilelektrische Fahrzeuge in den Markt zu drücken: Die EU schreibt bei Neuwagen eine Emissionsgrenze von 95 Gramm CO2 pro Kilometer vor – sprich: einen Durchschnittsverbrauch von 4,1 Liter Benzin oder 3,6 Liter Diesel auf 100 Kilometern.

Fahren 2022 eine Million E-Autos in Deutschland?

Ansonsten drohen für jedes CO2-Gramm mehr 95 Euro Strafe pro Auto – was bei einem Mittelklassewagen 1.500 bis 2.000 Euro EU-Strafe bzw. Preiserhöhung bedeuten und sich bei Konzernen wie VW oder Mercedes auf einige Milliarden Euro jährlich summiert. Doch Brüssel ließ ein Hintertürchen offen: Plug-in-Hybride und E-Autos werden als „klimafreundlich“ auf den durchschnittlichen Flottenverbrauch von Audi, BMW, Ford & Co. angerechnet. Das heißt: Werden genügend ID.3 abgesetzt, muß VW für die Cashcows Passat oder Tiguan keine oder weniger CO2-Strafe an die EU zahlen.

Angesichts dessen hofft die Bundesregierung auf die Wende 2022 – dann sollen tatsächlich eine Million Autos in Deutschland elektrisch rollen. Damit das Versprechen diesmal wirklich erfüllt wird, werden Plug-in-Hybride, die in der Realität meist ihren Verbrennungsmotor nutzen, einfach zur „Elektromobilität“ dazugezählt. Zudem wird der Steuerzahler in die Pflicht genommen: Für ein Fahrzeug mit einem Nettolistenpreis bis zu 40.000 Euro fließt ein Zuschuß von 9.000 Euro (E-Auto) bzw. 6.750 Euro (Plug-in-Hybrid). Hinzu kommen 900 Euro für die private Ladestation. Für Premium-Autos bis 65.000 Euro beträgt die Förderung 6.750 bzw. 5.625 Euro. In diese Gruppe fallen beliebte Firmenfahrzeuge wie der SUV BMW X5 xDrive 45e oder der Mercedes E 300e. Auch Doppelförderungen – etwa durch das Berliner Programm „Wirtschaftsnahe Elektromobilität“ für leichte Nutzfahrzeuge und Ladepunkte – sind möglich. Reine E-Autos sind zudem zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit, die im Rahmen des Klimapakets für Verbrennungsmotoren im Gegenzug stark steigen wird.

Die gewährten Vorteile wirken sich unterschiedlich aus. Bei einem Listenpreis von 40.000 Euro ergibt der Vergleich zwischen E- und Verbrenner-Auto (acht Liter Verbrauch) bei zehn Jahren Nutzungsdauer theoretische Kostenvorteile im Wert von 38.100 Euro. Das E-Auto erhält 9.000 Euro Kaufprämie und etwa 1.100 Euro Kfz-Steuererlaß. Das E-Auto hat zudem bei 200 Arbeitstagen mit 100 Kilometern Pendelstrecke bei drei Euro Stromkosten gegen acht Liter Sprit zu 1,50 Euro (steigende CO2-Abgaben durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz) weitere 1.800 Euro Verbrauchskostenvorteile pro Jahr, 18.000 Euro über den Nutzungszeitraum.

Die „Vorteile“ bei den Anschaffungs- und Nutzungskosten sind eine Ersparnis zu Lasten der übrigen Steuerzahler durch Subventionen und Einnahmeverzicht. Und wer zu 79 Cent pro Kilowattstunde das Schnelladen bei Ionity-Säulen nutzt, hat keine Verbrauchsvorteile mehr, sondern zahlt drauf.

Änderung der Ein-Prozent-Dienstwagenregelung

Etwa zwei Drittel der Erstzulassungen sind aber gewerblich – je teurer die Fahrzeugklasse, desto höher der Anteil. Und Firmen sparen durch Abschreibungen für den Wertverlust eines Fahrzeugs Steuern. Kauft ein Unternehmer einen BMW X5 als Plug-in-Hybrid, werden für den 2,3-Tonnen-SUV 65.000 Euro fällig. 5.625 Euro Kaufprämie werden aus Steuermitteln und durch den Hersteller gezahlt. Zudem verzichtet der Staat zehn Jahre lang auf 250 Euro Kfz-Steuer, was einen Kostenvorteil von 5.875 Euro im ersten Jahre ergibt.

Wird bei einer Fahrleistung von 30.000 Kilometer pro Jahr die Hälfte in der Stadt tatsächlich elektrisch absolviert, spart die Firma 2.000 Euro an Benzinkosten, was beim Fiskus 1.300 Euro Mindereinnahmen verursacht. Errichtet das Unternehmen mit dem 900-Euro-Zuschuß eine Ladestation, summieren sich Subventionen und Einnahmeverzicht im ersten Jahr auf etwa 8.000 Euro für einen Hybrid gegenüber einem Diesel. In Berlin kommen noch bis zu 2.500 Euro für einen Ladepunkt obendrauf.

Auch die Dienstwagenfahrer sollen elektrisch rollen. Bei ihnen wirkt sich eine Änderung der Ein-Prozent-Regelung für E-Autos und Plug-in-Hybride steuermindernd aus. Für die private Nutzung des Firmenfahrzeugs sind bislang ein Prozent des Listenpreises als geldwerter Vorteil zu versteuern. Der 65.000 Euro teure Firmenwagen bedeutet 650 Euro zusätzlich zu versteuerndes Einkommen pro Monat für den Fahrer. Bei einer Abgabenquote von 40 Prozent entspricht dies 270 Euro weniger beim monatlichen Netto. Bis 2030 wird die Bemessungsgrundlage für Elektro- und Hybridfahrzeuge halbiert, für den Firmenwagen werden nur 32.500 Euro angesetzt, so daß der Nutzer monatlich 135 Euro Steuern durch die Nutzung eines 400-PS-SUV spart. Sämtliche Vergünstigungen gelten auch für Leasingautos.

Der kräftige Schluck aus der Steuerpulle hat die Zulassungen bei bislang unverkäuflichen E-Autos und Plug-in-Hybriden im September um 260 bzw. 463 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gesteigert. Dennoch beträgt der Anteil der „elektrifizierten“ Autos nur zehn Prozent an den bisher zwei Millionen zugelassenen Kfz in diesem Jahr. Würden eine Million „Stromer“ in den kommenden zwei Jahren verkauft, würde der Steuerzahler dadurch mit etwa zehn Milliarden Euro belastet.

Doch anders sind 35.000-Euro-Autos, die im Winter keine 300 Kilometer ohne Ladestopp schaffen, nicht an den Mann zu bringen. Und wirklich sparsame Benziner wie Toyotas Vollhybride ohne Ladekabel, bekannt als Berliner Taxis, werden nicht subventioniert.

Liste der förderfähigen Elektrofahrzeuge: bafa.de

Übersicht der verschiedenen Zuschüsse: adac.de