© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/20 / 23. Oktober 2020

Glaube aktuell: Das Versagen der Verkündigung
Kirche auf schlechtem Grund
Johannes Eisleben

Die beiden deutschen christlichen Amtskirchen werden in Deutschland durch die Deutsche Bischofskonferenz und das Präsidium der Evangelischen Kirche in Deutschland vertreten. Diesen Institutionen ist bewußt, daß nunmehr weniger als die Hälfte der Deutschen noch in einer der beiden Kirchen organisiert sind, während es 1951 noch 96 Prozent waren. Dies ist eine Halbierung in nur zwei Generationen, doch das Tempo der Erosion nimmt ständig zu. 

Dies hat zwei wesentliche Gründe. Erstens sind immer mehr Menschen dem Glauben gegenüber indifferent. Sie sind nicht einmal mehr Atheisten, die sich bewußt von Gott abwenden, sondern die Frage nach Gott stellt sich ihnen einfach nicht mehr. Zweitens nimmt der Anteil der Menschen in Deutschland, die einen Glauben haben, der mit der abendländischen Kultur inkompatibel ist, durch Migration rapide zu: Der Islam ist mit der Scharia untrennbar verbunden. Sein Ziel ist die Herstellung der weltweiten Umma, das ist die Islamisierung der gesamten Menschheit und die Errichtung einer globalen Theokratie mit Unterwerfung aller Menschen unter die Scharia.

Wir haben es also mit einer geistlichen Krise im doppelten Sinne zu tun, einer Erosion des tradierten christlichen Glaubens in Kombination mit einer Bedrohung unserer partizipativ-rechtsstaatlichen Kultur mit institutioneller Verrechtlichung der Menschenwürde durch den Islam. Was sollte in dieser Situation die Aufgabe der Kirchen sein?

In dieser Situation sollten die Kirchen sich erstens offensiv zu unserem Glauben an den dreieinigen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, bekennen. Die christliche Religion umfaßt drei fundamentale transzendente Grundbekenntnisse: Gnade Gottes, Präsenz Gottes und Umkehr zu Gott (Metanoia). Die Gnade drückt sich in der bedingungslosen Liebe Gottes zum Menschen, der sich ihm glaubend zuwendet, aus. Durch Gnade, das heißt ohne jedwede Selbstoptimierung, wird uns die Befreiung (Martin Luther) aus den Ambivalenzen unserer Conditio humana, unserer Gottesferne und unserer Fehlerhaftigkeit (der Sünde), zuteil. Die Präsenz Gottes ist unsichtbar wirksam und personal erfahrbar. Sie drückt sich in seiner Incarnatio, der göttlichen Menschwerdung in Jesus von Nazareth, dem gekreuzigten und auferstandenen Christus aus.

„Wahrer Gott und wahrer Mensch“, „in der Einheit des Heiligen Geistes“ – das ist das trinitarische, das zentrale theologische Alleinstellungmerkmal des Christentums gegenüber dem Judentum, seiner Mutterreligion. In der Nachfolge Jesu Christi und in der Erwartung seiner Raum- und Zeitgrenzen transzendierenden Wiederkehr werden uns Hoffnung und Lebensmut geschenkt. Die Umkehr zu dem, der „die Welt im Innersten zusammenhält“ (Goethe), gibt uns den Mut, uns aktiv dem dreieinigen Gott in unserem Mitmenschen zuzuwenden.

In politisch korrekter, partizipial-gendernder, sanfter und gleichzeitig bei der Diskussion organisatorischer Aspekte kraß bürokratischer Sprache definieren die elf Leitsätze der EKD ein Zielbild der Kirche als einer Gesinnungs-NGO.

Stark verkürzend dargestellt haben die wesentlichen Grundmotive des Christentums in der Aufnahme der griechischen Philosophie und des römischen Rechts das neuzeitliche Naturrecht mitbegründet. Sie haben in der Folge der lutherischen Reformation das moderne Amts- und Berufsethos stark geprägt. Diese Grundmotive haben, insbesondere in Deutschland, die europäische Aufklärung als notwendige Bedingung geprägt, die Fähigkeit zur Vergebung und Toleranz kanalisiert und somit ganz entscheidend zur Herausbildung eines auf Gewalt verzichtenden, auf Kooperation setzenden Gemeinwesens beigetragen.

Zweitens sollten die Kirchen auf die Art, wie sie es jahrhundertelang getan haben, vor den Gefahren des Islam als einer essentiell politischen, die Theokratie anstrebenden Religion warnen. Sie sollten die Politik dazu auffordern, die islamische Migration nach Deutschland zu stoppen und den Islam zurückzudrängen. Dies ist durch legale Repatriierung in Übereinstimmung mit dem Ausländerrecht und einer Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft möglich. Denn sonst droht uns mittelfristig eine Auflösung der Rechtsstaatlichkeit und der modernen Zivilisation – keine islamische Gesellschaft weltweit taugt als Träger der einen noch der anderen. Doch die Kirchen leisten das Gegenteil.

Denn was das Bekenntnis anbelangt, sind führende Kleriker der EKD offenbar vom Glauben abgefallen und gar nicht mehr zur Verkündigung in der Lage. Dies wird offensichtlich, wenn man die „Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche“ liest, die ein Arbeitskreis der EKD ausgearbeitet und im Juni veröffentlicht hat. Die Leitsätze haben der Kirche viel Kritik eingebracht, daher werden sie derzeit überarbeitet und Anfang November als 12 Leitsätze der Öffentlichkeit vorgestellt.

Wie ein prominenter Kritiker, der Theologe Günter Thomas, in sieben Thesen in den Zeitzeichen, einer evangelischen Publikation, gezeigt hat, vertreten die Leitsätze (1) die Vorstellung von der Kirche als einer politisch-moralischen „NGO-Bewegungskirche“ – vergleichbar mit Greenpeace oder Amnesty International, befürworten sie (2) NGO-Engagement ohne Kirchenmitgliedschaft, können sie (3) die Frage nicht beantworten, wie und warum Menschen zu Christen werden, schweigen sie (4) im wesentlichen zur Gottesfrage, können sie (5) kein überzeugendes Verständnis der Rolle von Laien in der Kirche entwickeln, bieten sie (6) keine sinnvolle Beschreibung der Rolle der Kleriker in der Kirche und sind (7) nicht in der Lage zu definieren, was das unverwechselbare Kernprodukt der Kirche sein soll.

In politisch korrekter, partizipial-gendernder, sanfter und gleichzeitig bei der Diskussion organisatorischer Aspekte kraß bürokratischer Sprache definieren die elf Leitsätze ein Zielbild der Kirche als einer Gesinnungs-NGO. Diese soll sich für „Menschenwürde und Menschenrechte, für Freiheit und Gerechtigkeit, für Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ (zweiter Leitsatz „Frömmigkeit“) einsetzen. Das sind zwar würdige Ziele, doch hat das alles mit Verkündigung unseres Glaubens nichts zu tun.

Im Gegenteil, es geht den Autoren der elf Leitsätze um die Leugnung Gottes, was in zweifacher Hinsicht auffällt.

Erstens bringt der Text zum Ausdruck, daß die EKD die anthropologische Unvollkommenheit des Menschen (Sünde), die eine Fundamentalaussage des Neuen Testaments darstellt, erstmalig aktiv leugnet. Denn man tut so, als sei ein „sündloses“, politisch korrektes, moralisch gutes Handeln ein umstandslos mögliches, primäres Hauptprodukt menschlicher Aktivität. Doch eindeutig moralisches Handeln aufgrund sittlicher Gewissensimperative ist dem Menschen nicht möglich.

Denn solches Handeln ist nach Nicolai Hartmann, der auf der Grundlage der Einsichten von Max Scheler die bis heute differenzierteste und überzeugendste ethische Theorie entwickelt hat, nur durch Wertbewußtsein möglich. Wertbewußtsein ist die Einsicht in absolute ethische Werte, die jedem Menschen möglich ist, doch in der Praxis nur unzulänglich in Handlungen umgesetzt werden kann. Entweder weil der handelnde Mensch partiell „wertblind“ ist und für einen Teil der Werte kein Bewußtsein hat – so wie auch manche Menschen keine Einsicht in absolut gültige mathematische Zusammenhänge haben. Oder weil andere Motive, zum Beispiel Güterwerte, die Oberhand gewinnen. Daher ist menschliches Handeln nie moralisch rein, was für jeden Menschen im Phänomen des Gewissens erlebbar ist, das die Diskrepanz von eigenem Handeln und Werten anzeigt.

In der Katholischen Kirche ist die Bekenntniserosion noch nicht so weit fortgeschritten wie bei den Protestanten. Dies liegt zu einem guten Teil daran, daß der Spielraum, den die traditionelle katholische Dogmatik läßt, dort sehr viel

geringer ist.

Der Mensch bedarf zum lebensdienlichen moralischen Handeln der Gnade Gottes. Von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen, seiner Sündhaftigkeit und seiner Angewiesenheit auf Erlösung ist keine Rede. Die EKD ist als Leugnerin der Gottesvergessenheit des Menschen also selbst zutiefst gottesvergessen. Ein solches Denken führt nicht zu moralisch richtigem Handeln, sondern allenfalls zu einem moralisch erratischen oder gar amoralischen Handeln.

Eine Kirche, die dies nicht betont, sondern sich tendenziell selbst zu einer buchstäblich gottlosen, moralischen NGO erklärt, in der es nicht mehr um den Glauben als Notwendigkeit zur Metanoia geht, sondern sie Glaube nur noch als eine diffuse „authentische Frömmigkeit“ (in Leitsatz 2) sieht, verläßt die fundamentalten Bekenntnisgrundlagen und begeht institutionellen Suizid.

Zweitens hat die Kirche gemäß ihrer zweitausendjährigen Tradition drei wesentliche Aufgaben: Martyria, Liturgia und Diakonia – Zeugnis vom und Verkündigung des Evangeliums in Predigt und Seelsorge sowie Armenfürsorge. Politisches Engagement ist nicht das Primärziel des Evangeliums. Mat­thäus schreibt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ (22, 21), und Paulus sagt in Römer 13: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat.“ Der Glaube fragt nach meinem Verhältnis zu Gott und nicht nach dem Verhältnis zur Politik. Eine politisierte Kirche, die nicht nach dem Glauben fragt, ist keine Kirche mehr.

In der Katholischen Kirche ist die Bekenntniserosion noch nicht so weit fortgeschritten wie bei den Protestanten. Dies liegt zu einem guten Teil daran, daß der Spielraum, den die traditionelle katholische Dogmatik läßt, sehr viel geringer ist. Doch bei der Ausübung der zweiten Pflicht der Kirchen angesichts der heutigen Migrationslage versagen beide Kirchen gleichermaßen, beide warnen nicht vor der Islamisierung. Vielmehr streben beide Kirchen eine auf alle Menschen entgrenzte, globale Nächstenliebe an. Beide unterstützen aktiv durch Ausstattung von Transportschiffen die Migration über das Mittelmeer. Beide warnen nicht vor den die Zivilisation erodierenden Folgen der Massenmigration, sondern preisen Grenzenlosigkeit als Gebot des Altruismus. Beide postulieren in krasser Abwendung von unserer Dogmatik die Äquivalenz Allahs und des gnädigen dreieinigen Gottes. Doch gibt es zwischen beiden Gottesbildern keine Überschneidung. Der Glaube an Allah verpflichtet zu unmenschlichen koranischen Strafen und zum Kampf für die Umma, während wir an den gnädigen Gott des Neuen Testaments glauben. Der Islam muß vielmehr als ketzerische Usurpation einiger Inhalte des Alten Testaments angesehen werden.

In der Preisung des Islam und der Förderung von Massenmigration beweisen die Kirchen, wie leicht der Übergang vom scheinbar Guten zum Bösen ist, wenn man nicht mehr an Gott glaubt. So verfallen die Kleriker dem Bösen. Damit zerstören sich die Kirchen, wir Christen werden sie von unten neu aufbauen müssen.






Johannes Eisleben, Jahrgang 1971, ist Mathematiker und arbeitet als Systeminformatiker. Er publiziert auf dem Portal ­achgut.com sowie in der Zeitschrift Tumult. Auf dem Forum schrieb er zuletzt über mögliche Verteilungskämpfe infolge der Corona-Krise („Wer kann gewinnen?“, JF 29/20).

Foto: Graffito zum Kirchenaustritt an einer Hauswand in Bonn: Die Zahl der Kirchenmitglieder hat sich in zwei Generationen  halbiert.  Wie reagieren die Kirchen auf diesen epochalen Um- und Abbruch?