© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

Echte Freunde kann jemand trennen
Vor US-Wahl: Berlins Beziehung mit Washington ist gestört
Ronald Berthold

Es begann mit einem diplomatischen Affront. Bundeskanzlerin Angela Merkel verknüpfte 2016 ihren Glückwunsch an den drei Tage zuvor gewählten amerikanischen Präsidenten mit einer Belehrung in Sachen Demokratie. Sie bot Donald Trump auf der Basis von „Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung“ eine Zusammenarbeit an. Es hörte sich an, als spräche die Regierungschefin über einen Diktator.

Das Verhältnis der beiden einst eng verbündeten Länder hat sich nicht mehr erholt. Die Beziehungen befinden sich auf einem Tiefpunkt. Deutschland schiebt die Schuld dafür Trump zu. Der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusamenarbeit, Peter Beyer, sieht die Ursache „vor allem in der teils unsachlichen Kommunikation“ der US-Regierung. Die Bundesrepublik setzt alle Hoffnungen auf die Wahl Joe Bidens. Doch würde es dann besser? Biden steht in vielen Punkten, die die deutsch-amerikanischen Beziehungen belasten, für Kontinuität zur jetzigen Außenpolitik: Nato-Beitrag, Nordstream 2 und Umgang mit China.

„Ich warne vor rosaroten Brillen“ 

Trump argumentiert, Deutschland lasse sich von den USA beschützen, zahle aber Rußland „Abermilliarden Dollar“ für Gas. Im Kongreß haben die Demokraten die Sanktionen des republikanischen Präsidenten unterstützt, um das Projekt zu stoppen. Schon als er noch Vizepräsident unter Barack Obama war, nannte Biden die Pipeline „einen fundamental schlechten Deal für Europa“.

Mit Blick auf Biden und auf die Erfahrungen mit Obama äußert Koordinator Beyer wenig Hoffnung: „Ich warne vor rosaroten Brillen der transatlantischen Nostalgie.“ Selbst Außenminister Heiko Maas (SPD), ein entschiedener Gegner Trumps, bezweifelt, „daß mit einem Präsidenten Biden alles wieder gut würde“. An der Neuausrichtung der US-Außen- und Sicherheitspolitik werde sich unter einer neuen Regierung „strukturell nichts ändern“. Fortschritte könne es „möglicherweise“ bei besseren Absprachen geben.

Allerdings trägt die deutsche Politik eine Mitschuld an der Krise. Sie weigert sich, die USA außenpolitisch zu unterstützen – weder in der China- noch in der Rußland- oder Iranpolitik, auch nicht in Sachen Israel oder Nahost kam ein Beitrag der Bundesregierung. Die Berliner Zeitung meint, „anders als früher gibt es im Bundestag keine engagierten Transatlantiker mehr, die einem so uninspirierten Außenminister wie Heiko Maas Druck machen könnten“.

So bleiben Zweifel, ob der Rückzug des US-Botschafters Richard Grenell im Mai dieses Jahres etwas ändert, wenn Trump im Amt bliebe. Grenell war ein ähnlicher Freund klarer Worte wie sein Präsident. Das veranlaßte Deutschland zu Strafaktionen. Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Empfang zum 95. Geburtstag des deutschstämmigen Ex-Außenministers Henry Kissinger gab, verweigerte er Grenell die Einladung.

Für den außenpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Armin-Paulus Hampel, sind solche Taktlosigkeiten ein „diplomatisches Unding“. Auch Kanzlerin und Außenminister hätten sich einseitig gegen den amtierenden Präsidenten in Washington positioniert, moniert Hampel im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Seiner Meinung nach hätte Trump für Berlin ein attraktiver Verhandlungspartner sein können: „Weil er wie ein Geschäftsmann tickt“, entsprechend hätte man mit ihm reden müssen. „Die Vereinigten Staaten sind nun mal ein wichtiger Partner, den man nicht  vor den Kopf stoßen kann“, ist der AfD-Außenpolitiker überzeugt. Die Kunst der Diplomatie bestehe schließlich gerade darin, „mit jemandem zu sprechen, mit dem man nicht gern spreche“. 

Kandidat Biden wiederum hat zwar angekündigt, Diplomatie zum „wichtigsten Werkzeug der Außenpolitik“ machen zu wollen. Heißt aber nur: Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Washington würden künftig hinter verschlossenen Türen ausgetragen. Ebenso wie Trump hatte auch Obama Merkel zu höheren Verteidigungsausgaben gedrängt. Nun sagt auch Biden: „Unsere Verbündeten sollten ihren gerechten Anteil tun.“ Zwei Drittel der Demokraten sind dafür, die Truppenstärke in Deutschland wie von Trump angekündigt zu reduzieren. Ein neuer Präsident würde dies wohl nicht rückgängig machen. Maas sagt dazu gleichgültig: „Sollte es zum Abzug eines Teils der US-Truppen kommen, nehmen wir dies zur Kenntnis.“ Allerdings hat dieser auch über vier Monate nach der Ankündigung noch nicht begonnen. Die Kommandozentrale für die US-Streitkräfte in Europa in Stuttgart teilte mit, daß die Vorbereitung noch Zeit brauche. Die Planung erfolge „auf den höchsten Ebenen“ und werde „einige Zeit dauern“, zitierte der Nachrichtensender n-tv einen Militärsprecher. 

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), ist der Überzeugung, die USA bräuchten Deutschland ebenso sehr wie umgekehrt. Er meint, Trumps Politik „hat Konsequenzen, die vor allem für die USA selbstschädigend sind“ und hält das für „irrational“. Allerdings beruht Röttgens Denken auf einer Haltung, die Trump aufgegeben hat. Deutschland war für die Militärpolitik wichtig, um von dieser Basis Kriege im Nahen Osten führen zu können.

So bleiben die Perspektiven für die deutsch-amerikanische Freundschaft düster. FDP-Chef Christian Lindner antwortete auf die Frage nach seinen Erwartungen: „Welche transatlantische Partnerschaft meinen Sie denn noch?“