© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

In den USA wird parteiübergreifend auf Kernenergie gesetzt
Grüner Kompromiß
Thomas Kirchner

Kernenergie ist in den USA parteiübergreifend im Kommen. Schon 2010 erklärte Barack Obama, daß diese als größte Energiequelle ohne CO2-Ausstoß ausgebaut werden müsse. Zwar ist der „demokratische Sozialist“ Bernie Sanders gegen AKWs, doch eine einflußreiche Anti-Atomkraftbewegung gibt es nicht. Im aktuellen Wahlkampf streiten die Kandidaten vorrangig um Kohle und Fracking, doch in der Praxis unterstützt Donald Trump die Entwicklung neuer Kernergietechnik so stark wie sein Amtsvorgänger – ohne auf Kritik durch Joe Biden zu stoßen.

In seine Amtszeit fällt die Zulassung eines neuartigen, modularen Minireaktortyps aus Südkorea, von dem der erste in Utah für 1,3 Milliarden Dollar gebaut wird. TerraPower (General Electric/Hitachi) und X-energy, eine Firma von Ex-Microsoft-Chef Bill Gates, werden mit je 80 Millionen Dollar gefördert, einem Bruchteil der seit 1968 gezahlten 100 Milliarden an Subventionen für Wind- und Solarkraft. Insgesamt 3,2 Milliarden Dollar will das US-Energieministerium (DOE) in den nächsten Jahren zur Förderung neuartiger Reaktortypen ausgeben.

Biden unterstützte den Green New Deal (JF 10/19) der US-Demokraten, bis er die Präsidentschaftsnominierung sicher hatte. Seitdem will er Fracking und Kohle für eine „Übergangszeit“ weiterbetreiben – im Politikersprech ist das bekanntlich ein Euphemismus für „Dauerzustand“. Eine Energiewende deutscher Hauruck-Art ist für die USA unwahrscheinlich. Öl, Kohle und Gas sind nach wie vor vergleichsweise billig.

Doch Saudi-Arabien und Rußland wollen irgendwann wieder besser bezahlt werden, und Förderung per Fracking bleibt teuer und braucht langfristig einen Ölpreis von 80 Dollar oder mehr. Unabhängig von der Person des Präsidenten bietet Kernenergie einen Kompromiß zwischen Kosten, stabiler Grundlast und CO2-Neutralität. Im Gegensatz zum Crash im Ölpreis (JF 18/20) war Uranoxid im April von 24 auf 33 Dollar pro Pfund geklettert. Der Preisanstieg wurde auf die Schließung und Drosselung der Förderung in mehreren Minen zurückgeführt, deren Arbeiter sich mit dem Coronavirus infiziert hatten.

Doch trotz Wiederaufnahme der Produktion sinkt der Kurs bisher nur geringfügig. Diese Hausse ist Symptom der zu erwartenden Steigerung der Nachfrage. Zusätzlich zu den 440 derzeit weltweit betriebenen Kernreaktoren sind 50 im Bau, weitere 100 in Planung sowie 300 im Frühstadium. Angesichts der technischen Innovation dürfte die AWK-Zahl aber weit stärker steigen. Deutschland, einst führend in der Kernenergie, schaut nur zu und hofft auf ein Technikwunder bei wetterabhängigen Erneuerbaren. Leider hat die Bundesregierung die Weichen in Richtung Abstellgleis gestellt. Innovation klappt aber auch ohne deutsche Unternehmen.

 joebiden.com