© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

Die Wirecard-Reste sollen im November verkauft werden
Professionell ausgeschlachtet
Martin Krüger

Für Martin Runge ist „Bayern ein Eldorado für Kapitalmarktbetrüger“. Das klingt nach dem Gepolter eines grünen Landtagsabgeordneten – doch der promovierte Ökonom liefert in der Wirtschaftswoche Belege, von denen Wirecard der bislang spektakulärste Fall ist. Insolvenzverwalter Michael Jaffé bestätigte nun offiziell, daß die ehemalige Führung des medial hochgejubelten Dax-Stars aus Oberbayern Geld beiseite schaffte.

Bereits seit 2019 sei der Zahlungsdienstleister ausgeschlachtet worden. Unausgesprochen liegt dabei der Name des verschollenen Ex-Finanzvorstands Jan Maršálek in der Luft. Eine halbe Milliarde Euro sei über Kredite an Geschäftspartner nach Asien verschoben worden. Laut dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) gehe es um betrügerischen Bankrott. In besonders schweren Fällen sieht Paragraph 283a StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vor. Der mickrige Wirecard-Restsaldo beträgt laut Jaffé nur noch 20 Millionen Euro. Von dem in U-Haft sitzenden Ex-Vorstandschef Markus Braun – einst Spender der österreichischen Neos und der ÖVP – könnten daher Vermögenswerte eingefordert werden. Es wird im Fall Wirecard wegen organisierten Bandenbetrugs und dem Mißbrauch von Corona-Hilfen ermittelt. Dabei sollen virtuelle Kontonummern (Iban) an Kumpane vergeben worden sein – damit wirkt der Wirecard-Slogan „Beyond payments“ nicht mal mehr ironisch. Von den Fake-Konten der angeblich coronageschädigten Firmen ging das Geld dann auf Sammelkonten im Ausland.

Daß die bayerische Staatsregierung bei der Bearbeitung von Corona-Hilfsanträgen auf die Wirecard-Expertise zählte, ist keine oppositionelle Verschwörungstheorie. Immerhin geht der Resteverkauf durch den Insolvenzverwalter weiter. Im November soll es soweit sein. Die Gebote der Kaufinteressenten sollen bei 300 Millionen Euro liegen. Das wären knapp zehn Prozent der Firmenschulden – ein finanzieller Horror für Gläubiger und Wirecard-Aktionäre.