© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

Kinder in Mäuse verwandeln
Die Lila-Armee-Fraktion: Robert Zemeckis’ neuer Film „Hexen hexen“ sieht verdächtig nach antifeministischem Ulk aus
Dietmar Mehrens

Lila schützt vor Schwangerschaft“, mokierten sich schon vor Jahrzehnten vorwiegend männliche Studenten über die Symbolfarbe der Feministen. In Robert Zemeckis’ Neuverfilmung von Roald Dahls Märchenbuch „Hexen hexen“ hilft ein lilafarbenes Gebräu ebenfalls gegen Kinder: Es verwandelt sie in Mäuse, die man sodann nur noch zu zertreten braucht.

Sollte der „Zurück in die Zukunft“-Regisseur tatsächlich nicht im Sinn gehabt haben, mit seinem jüngsten Film eine bitterböse antifeministische Parabel aufs Kinopublikum loszulassen, hat er mit Sicherheit einiges falsch gemacht. Schon die drei Grundwahrheiten über Hexen, mit denen der Film eröffnet, erweisen sich als auffällig doppelbödig: Erstens: Es gibt sie wirklich, zweitens: Sie sind mitten unter uns, und drittens: Sie hassen Kinder. Hätte Zemeckis darauf verzichtet, das kindervernichtende Lila ständig mit maximaler Leuchtkraft in den Bildmittelpunkt zu rücken, als wollte er sagen: „Lila ist das neue Rot!“, hätte man die Parallelen zwischen Hexen und Kämpferinnen für den frühzeitigen Kindstod (den im Mutterleib), vielleicht noch übersehen können. Ebenso wie das Jahr, in dem die ganze Geschichte ihren Lauf nimmt: 1968. 

Ein Klub von Kinderhasserinnen

Und das ist sie, die Geschichte, erzählt von einem schwarzen Waisenjungen, den nach dem Tod der Eltern seine in Alabama lebende fromme Großmutter (Octavia Spencer) in Obhut genommen hat: Nach einer beunruhigenden ersten Begegnung mit dem Okkulten bringen Enkel und Oma sich in einem vornehmen Hotel in Sicherheit. Hexen verabscheuen Sauberkeit, so das Räsonnement, und werden sie hier nicht finden. Ein Irrtum. Am selben Ort findet eine Tagung von Frauen mittleren Alters zum Thema Kinderrechte statt. Doch was sich als Internationale Gesellschaft zur Verhütung von Grausamkeit gegen Kinder ausgibt, ist in Wahrheit ein Klub von Kinderhasserinnen, der mit dem eingangs erwähnten lila Elixier des Teufels aus Minderjährigen Mäuse machen möchte. Als Omas Enkel von der Oberhexe beim Lauschen ertappt und verhext wird, ist das Mäusetrio komplett: Zwei andere Kinder, Mary und Bruno, hat es schon vorher erwischt. Die drei Verwunschenen entkommen den Pseudo-Kinderrechtlerinnen und machen sich nun in bester „Ratatouille“-Manier ans Werk, ihnen gehörig in die Suppe zu spucken.

Anne Hathaway, für die Rolle der bösen Oberhexe eine eher überraschende Wahl, bekannte anläßlich des Filmstarts von „Der Teufel trägt Prada“ (2006) in einem Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen, daß sie an Gott und an den Teufel glaubt. Vielleicht erklärt das ihre Glanzleistung als Inkarnation des Bösen. Vielleicht hat sie sich auch einiges abgeschaut bei ihrer damaligen Filmpartnerin Meryl Streep.

„Dämonen in Menschengestalt“ nennt die glaubensstarke Großmutter die garstigen Damen, die durch verblüffende Computertricks noch furchteinflößender wirken, und spricht aus, daß solche sich nur mit Gottes Hilfe besiegen lassen. Während sich die Filmhexen geschickt tarnen mit Perücken und Handschuhen (die ihre Glatzen und ihre Klauen kaschieren), darf sich die real existierende Lila-Armee-Fraktion rühmen, für ihre Lizenz zur Liquidation Ungeborener den Tarnkappenbegriff „reproduktive Rechte“ installiert zu haben. Benötigt man noch mehr Indizien dafür, daß, was als Gruselfilm für Kinder daherkommt, einen raffiniert eingebauten doppelten Boden hat?

Es ist jedenfalls eine ganz schöne Vorstellung, daß die Ära Trump einen Film möglich gemacht hat, der die Mächte der Reaktion über die der (feministischen) Revolution triumphieren läßt.