© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

„Mich haben sie gelehrt, meine Leute zu verachten“
Serie „Barbaren“: Netflix verfilmt die Varus-Schlacht und trifft mit dem Helden Arminius einen aktuellen Nerv
Gil Barkei

Römische Legionäre stehen mit gezückten Schwertern vor Feuerbällen im „Teutoburger Wald 9 nach Christus“. Die Netflix-Serie „Barbaren“ zeigt gleich zu Beginn aufwendige Szenen der legendären Schlacht, mit der die Geschichte enden wird, um die deutsche Studios und Sender jahrzehntelang einen großen Bogen gemacht haben. 

Nun haben der US-Streamingdienst und der deutsche Ableger der französischen Produktionsfirma Gaumont aus dem nach einer Verfilmung schreienden Stoff eine sechsteilige Serie gemacht: Der einst als Faustpfand in Rom aufgewachsene Cherusker-Fürstensohn Arminius besinnt sich bei der Rückkehr in seine Heimat seiner Wurzeln und führt die germanischen Stämme siegreich gegen die Besatzer.

Die Dorfgemeinschaften in den von Kameramann Christian Stangassinger mystisch gezeichneten Wäldern und Moorlandschaften ächzen unter hohen Abgaben, die der neue Statthalter für Germanien, Quinctilius Varus (Gaetano Aronica), trotz eines ausgehandelten Friedens mit blutigen Erniedrigungen und Strafen einfordert. Helfen „in diesem verrückten Land“ soll ihm sein frisch eingetroffener Ziehsohn und Kommandeur der germanischen Auxiliar-Reiterei Arminius (Laurence Rupp), der die Bräuche und Sprachen beider Seiten beherrscht. Doch der anfangs knallharte Offizier, der einen germanischen Hilfssoldaten schon mal für einen Witz über das Imperium auspeitschten läßt, wandelt sich angesichts der römischen Verachtung gegenüber den ausgiebig dargestellten germanischen Riten und Regeln. 

Glaubhaft stellt Rupp – unterstützt durch die bilinguale Vertonung in Latein und Deutsch – einen Mann im Zwiespalt zwischen zwei Welten dar: das fortschrittliche Rom und der ihn fördernde Varus auf der einen Seite; die germanische Identität und die Freunde aus Kindestagen, Thusnelda (Jeanne Goursaud) und Folkwin (David Schütter), auf der anderen. 

Die Drehbuchautoren Arne Nolting, Jan Martin Scharf und Andreas Heckmann entwickeln die adelige Thusnelda, deren Vater Segestes mit Rom paktiert, gezielt als weibliche Heldin. Anfangs in einer geheimen Liebesbeziehung mit dem Schwertträger Folkwin, wird sie aus taktischer Überlegung Arminius’ Ehefrau und zu einer Schlüsselfigur, um die einen Aufstand scheuenden Stammesfürsten zum Widerstand zu bewegen.

Liebe, Verrat, Opfergaben an die Götter, Hexen und Männer mit langen Bärten, die von „Römerklöten“ bis „Schweinebesteiger“ eine derbe Sprache pflegen: „Barbaren“ erinnert an Historien-Serien wie „Vikings“, dürfte bei Teilen des deutschen Publikums aber einen ganz eigenen Nerv treffen. Wenn Arminius beim Versuch, die zerstrittenen Stämme zu vereinen ,ausruft: „Mich haben sie in Rom gelehrt, meine Familie zu vergessen, meine Leute zu verachten, meine Art zu leben, meinen Glauben, meine Wurzeln, unsere Wurzeln!“, dann schallt dies bis in die heutige Zeit des Selbsthasses und der Zersetzungsprofiteure.

„Barbaren“: Sechs Folgen zu 50 Minuten auf Netflix