© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/20 / 30. Oktober 2020

Umwelt
Schlimmer geht immer
Paul Leonhard

Hat Julia Klöckner ihr Herz für die Ostseefischer entdeckt? Die neuen Fangquoten, auf die sich die EU-Minister geeinigt haben, feiert die CDU-Agrarministerin jedenfalls als persönlichen Erfolg. Es sei die Balance gefunden, zwischen der Erholung der Fischbestände und der Existenzsicherung für die Fischer an den Küsten. Und das noch auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten, die künftig eine nachhaltige Bewirtschaftung der Ostsee ermögliche. Umweltschützern reicht die Fangquotensenkung um 50 Prozent nicht, „aber es hätte durchaus schlimmer kommen können“, so Stella Nemecky vom WWF. Doch für die deutschen Fischer ist der westliche Hering die Haupteinnahmequelle. Auch darf der Dorsch in der östlichen Ostsee weiterhin nicht gezielt gefischt werden. Hier wurde lediglich die Quote für Freizeitangler leicht erhöht.

Deutsche Küstenfischer sind eine aussterbende Spezies, deren Untergang beschleunigt wird.

Die Bestände bei der Scholle und der Sprotte haben sich offenbar soweit erholt, daß hier die Fangquoten um fünf beziehungsweise sechs Prozent erhöht werden können. Doch ohnehin ist aus EU-Sicht der deutsche Küstenfischer eine aussterbende Spezies, deren Untergang tatkräftig beschleunigt wird. Statt die traditionelle Fischerei zu fördern, gibt es Gelder für die endgültige Stillegung der kleinen Schiffe (JF 20/20). Auch das verkauft Klöckner als Erfolg, denn damit biete man den von den Fangverboten betroffenen Fischern „wirtschaftlich eine Perspektive“. Eine Abwrackprämie also für die 220 Fischereibetriebe, die es in Mecklenburg-Vorpommern gibt. 1989 waren es noch 1.380. Dabei sind nicht die handwerklich arbeitenden Kutter- und Küstenfischer am Rückgang der Fischbestände schuld, sondern die industriellen Schleppnetzfischer, die die See leer fischen und mit ihrer Fangtechnik die Unterwasserwelt in eine Mondlandschaft verwandeln. Das aber ist allenfalls ein Thema im Schweriner Landtag.