© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/20 / 06. November 2020

„Eigentlich müßte das Volk aufschreien“
Ob Corona, Meinungsfreiheit, Kirche oder Islamismus – kein Thema, das der ehemalige ZDF-Journalist und Bestsellerautor Peter Hahne in seinen Büchern nicht kritisch aufs Korn nimmt
Moritz Schwarz

Herr Hahne, Sie ...

Peter Hahne: Wir sollten auf jeden Fall über die unverhältnismäßigen Corona-Maßnahmen der Regierung sprechen!

... äh ja ... 

Hahne: Entschuldigung, daß ich so reinplatze. Natürlich stellen Sie die Fragen ... 

Das Thema erregt Sie sichtlich. 

Hahne: Vielleicht liegt es auch daran, daß ich heute morgen noch keinen Kaffee hatte. Vorhin ist nämlich meine Maschine kaputtgegangen – nach 37 Jahren! Krups! So eine bekommt man gar nicht mehr, heute sind die nach zehn, zwölf Jahren hin. Aber im Ernst: Mir macht das wirklich Sorgen! Ich meine nicht persönlich, da geht’s mir gut. Und die Leute haben nun noch mehr Zeit, meine Bücher zu lesen. Aber ich versetze mich in die Lage jener, die seit Montag unter den neuen Maßnahmen der Regierung leiden! Ich frage mich: Denkt die Kanzlerin eigentlich an all diese Menschen?

Wen meinen Sie?

Hahne: Na, all die Alten, Einsamen, Kranken, an die, die ihren Job oder ihr Geschäft verlieren. An jene, die in Schulden geraten oder ihre Miete nicht mehr stemmen können. An Verzweiflung und Albträume, die sie diesen Menschen bereitet. An die Ängste, seine Kinder, seine Familie nicht mehr versorgen zu können. An die steigende Selbstmordzahl. An die, die sich nicht mehr zum Arzt trauen und wegen verschleppter Behandlung unter bleibenden Schäden leiden oder gar sterben werden. 

Sie wollen sagen, so wie Donald Trump mahnte, die Behandlung dürfe nicht schlimmere Folgen haben als die Krankheit?

Hahne: Genau. Allerdings braucht es dafür keinen Trump, davor habe ich schon im März eindringlich gewarnt: Meine Generation kann und muß sich selber schützen, ohne daß der Staat zum Stillstand kommt. Das Löschen darf nicht teurer sein als der Brand. 

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Warum aber ist das dann so?

Hahne: Weil Politik und Journalismus nicht mehr im realen Leben stattfinden: Da sitzt kaum noch einer mit normalen Leuten in Bus oder Eckkneipe. In meinem Buch „Schluß mit euren ewigen Mogelpackungen“ habe ich mal, sogar namentlich, aufgelistet, wohin  Spitzenpolitiker ihre Kinder zur Schule schicken – das sagt wirklich alles! Auf Edelinternaten und Privatgymnasien lernt man die Lebensrealität der Bürger nicht kennen. Und da wären wir wieder bei Peter Hahnes altem Motto: Biographie ist alles!

Was bedeutet? 

Hahne: Die Biographie prägt den Menschen – sie bestimmt ihn! Wer etwa in seinem Leben Ausländer nur als Edel­italiener oder fleißige türkische Putzhilfe wahrnimmt, dem erscheinen Bürger, die sich über Probleme mit einer ganz anderen Art von Einwanderern beschweren, als „Rassisten“. Oder erinnern Sie sich an Friedrich Merz’ Bemerkung, er habe überhaupt kein Problem mit Homosexualität, solange da nichts mit Kindern sei. So denkt eben ein katholischer Familienvater – und Jurist – im Sauerland. Doch er geriet in den Shitstorm der Großstadt-CDU: das würde den Koalitionschancen mit den Grünen schaden. Biographie gegen Ideologie, irre!

Sie meinen, nicht seine Äußerung war der Skandal, sondern daß abgehobene Politiker und Medien einen daraus gemacht haben? 

Hahne: Um die Entwicklung auf den Punkt zu bringen: Was vor zehn Jahren normal war, wurde durch Sprachpolizei und „Haltungsjournalismus“ erst als „konservativ“ umettikettiert, dann als „rechts“, und heute ist es „Nazi“. Und mit dieser Keule wird alles erschlagen. Übrigens ist das auch eine Verniedlichung, ja Verhöhnung des Holocausts! Denn wenn man immer mehr Formen der Kritik den „Nazi“-Stempel aufdrückt, ist das der Tod – erstens der Meinungsfreiheit und zweitens der Kritik. 

Wie aktuell etwa im Fall Monika Maron?

Hahne: Eben, eigentlich müßte da doch von Links bis Rechts ein Aufschrei durchs Land gehen! Und dann diese Heuchelei ihres Verlags S. Fischer, der zu Holtzbrinck gehört. Also zu einem Unternehmen, dessen Gründer „eher NS-Vorläufer als -Mitläufer war“, worauf dankenswerterweise Michael Wolffsohn hingewiesen hat. Denn Georg von Holtzbrinck trat schon 1931 dem NS-Studentenbund bei, obwohl der damals noch verboten und an der Kölner Uni unterdurchschnittlich vertreten war. Sein späterer Verlag profitierte „gewaltig“, so Wolffsohn, von Großaufträgen der NS-Machthaber. Und Fischer, ab 1963 allmählich von Holtzbrinck übernommen, sieht nun ausgerechnet durch Frau Maron, deren jüdischer Großvater mutmaßlich 1942 im KZ Kulmhof ermordet worden ist, die Werte beschmutzt, für die man als Verlag stehe. Was für eine Verlogenheit!

Der neue Lockdown soll vorerst vier Wochen dauern. Glauben Sie das? 

Hahne: Nein – aber vor allem frage ich mich: Wo ist eigentlich unser Parlament? FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki hat ihn zu Recht Frau Merkels „privaten Lockdown“ genannt – die ihn selbstherrlich verkündete, ohne daß unsere Vertreter im Bundestag vorher gehört wurden. Das wird nur noch durch ihren unverfrorenen Einkaufsbummel getoppt: Sie nahm diese dramatische Videobotschaft auf, in der sie forderte, alle sollten möglichst zu Hause bleiben – und war nur Stunden später im Luxuskaufhaus KaDeWe auf Shoppingtour zu sehen! Das ist wirklich Politikerparallelgesellschaft im Endstadium, völlig instinktlos, abgehoben, fern vom Volk! Nicht anders als die Präsentation des unfaßbare 600 Millionen Euro teuren Kanzleramtsanbaus, mit Wintergärten etc., während Tausende Menschen gerade um ihren Job, ihre Wohnung, ihr Unternehmen bangen! 

Halten Sie das Virus denn für ungefährlich? 

Hahne: Nein, doch muß alleine die „Informations“-Politik der Regierung jeden denkenden Menschen zweifeln lassen. Warum sorgt diese nicht dafür, daß endlich alle Zahlen erhoben werden und legt sie auf den Tisch, damit darüber öffentlich debattiert werden kann? Es gibt Journalisten, die wirklich mal nachgefragt, aber keinerlei vernünftige Antwort bekommen haben. Solange die Regierung das nicht tut, braucht sie sich über immer mehr „Corona-Leugner“ nicht zu wundern – jetzt sogar die linke Kunst- und Eventszene! Ebensowenig brauchen sich die Medien über Vertrauensverlust zu wundern, in denen es immer wieder – für mich der Gipfel der Demagogie – zur Vermischung von infiziert und todkrank kommt. Allerdings, was erwartet man, schließlich haben die auch von einem „Sturm auf den Reichstag“ berichtet, der keiner war – und von Reichskriegsflaggen, die gar nicht gezeigt wurden. Und der Bundespräsident zeichnet Polizisten für die Abwehr dieses „Sturms“ aus! All das in einem Filmdrehbuch – man hätte Sie als Spinner ausgelacht. Dagegen ist Trump doch das reinste Wahrheitsministerium.

In Ihrem neuen Bestseller-Bändchen „Seid ihr noch ganz bei Trost! Schluß mit Sprachpolizei und Bürokraten-Terror“ führen Sie all das allerdings nicht nur auf Abgehobenheit, sondern auch auf eine Unterwanderung der Gesellschaft durch Ideologie zurück. 

Hahne: Ja, wobei ich klarstelle, daß ich kein Verschwörungstheoretiker bin – es gibt keine Gruppe strippenziehender Dunkelmänner. Diese Ideologisierung vollzieht sich vielmehr, was viel schlimmer ist, durch soziale Prozesse und durch Prägung – Biographie ist alles! Etwa durch die unbewußte „Schere im Kopf“, die den Leuten anerzogen wird. Vor allem durch die Vorstellung, sie seien Teil eines Weltgewissens und müßten sich so verhalten, daß sie ihrer „Verantwortung“ gerecht werden. Was dazu führt, daß echte Kritik an den Verhältnissen als illegitim betrachtet wird, denn sie kollidiert ja mit dieser „Verantwortung“. Folglich werden immer mehr Mißstände verschwiegen – denn sie zu benennen schadet ja dem höheren Ziel und widerspricht damit der „Verantwortung“. So wird manipuliert, durch Ideen, nicht durch Geheimbünde. Und das nennt man dann auch noch „Haltung“ – irre! Ist dieser Journalismus an Wahrheit interessiert oder an dem Wohlgefallen der Herrschenden?

Woher kommt das? 

Hahne: Das ist das Erbe der Achtundsechziger, die ich während meines Studiums in Heidelberg hautnah miterlebt habe. Etwa als ich während der „Stoppt-Strauß“-Zeit der einzige Student im Hörsaal mit einer Pro-Franz-Josef-Strauß-Plakette war. Bis der Professor, ein bedeutender deutscher Kirchengeschichtler, mich bat, nicht mehr zu kommen, ich verursachte doch nur Unruhe. Da war mir klar, was für erbärmliche rückgratlose Wichte sich mit akademischen Titeln schmücken – und das können Sie auch auf Bischöfe beziehen. 

Besondere Pein bereitet Ihnen die Unterwanderung der Kirchen durch diese Ideologie. Vor Jahren hätte ich Sie gefragt, was dagegen getan werden kann. Aber inzwischen erscheint die Frage lächerlich, denn mal ehrlich, da ist doch nichts mehr zu retten?

Hahne: Ein Christ verliert nie die Hoffnung. Eine Erweckung ist immer möglich. Notfalls spricht Gott durch Geldentzug, so sagt es selbst Papst Benedikt.

Wie das?

Hahne: Na, solange man in Geld schwimmt, ändert sich nichts. Ich verhehle aber nicht, daß es im Moment in der Tat trostlos aussieht. Daß heute schon explizit Linke, wie Heribert Prantl in der Süddeutschen, fragen: Wo bleiben in der Corona-Krise die Kirchen? Das ist bezeichnend. Die aber unterstützen lieber das Schlepperunwesen im Mittelmeer, die EKD verteilt Gendersprechfibeln, und die Katholische Kirche begibt sich auf einen „Synodalen Weg“ – der sie in den Protestantismus führt. Was zweifellos der Gipfel der Dummheit ist, weil sie sich damit etwas als Ziel setzt, das selbst im Begriff ist, unterzugehen. Also ja, es ist trostlos, aber nicht hoffnungslos. 

Nettes Wortspiel, klingt aber hohl. 

Hahne: Nein, das empfinden Sie vielleicht so. Aber so denkt ein Christ. Er glaubt und vertraut Jesus Christus, ihn verläßt die Hoffnung nicht. Überzeugende Reformvorschläge gibt es ja. Etwa die, die jetzt mein alter Studienfreund Helmut Matthies, Träger Ihres Gerhard-Löwenthal-Preises, in seinem großartigen Buch „Gott kann auch anders“ vorstellt. Nur müssen sie auch angenommen werden. Wenn die Kirche das nicht tut, ist das ihr, aber nicht des Glaubens Ende. Denn in der Bibel ist mit keinem Wort von Kirche die Rede, sondern von Gemeinde. Ich sage, wir brauchen im Sinne Luthers eine Radikalisierung: Radix, lateinisch, „die Wurzel“ – also eine Radikalisierung zurück zum Markenkern. Weg von der Politisierung, zurück zum Evangelium! Für alles andere gibt es Parteien, Gewerkschaften, Greenpeace. Aber eine Antwort darauf, wie man glücklich leben, selig sterben oder bei Schicksalsschlägen wie Krebs nicht verzweifelt – das haben nur Christen. Und diese Botschaft ist für unsere Gesellschaft so wichtig, daß es Betrug an ihr wäre, diese nicht mehr zu verkünden. Denn, und das ist von Ex-SPD-Chef Hans-Jochen Vogel: „Das wichtigste Datum ist das Jüngste Gericht, unsere Letztverantwortung vor Gott.“

Sie sagen aber auch, es stehe „eine Zeit des Leidens“ bevor. 

Hahne: Ja, es begann mit dem Zuzug des Islams, der mit dem Christentum „inkompatibel“ ist, wie Helmut Schmidt höchstselbst einmal bei „Maischberger“ gesagt hat. Die Kirchen aber loben ihn unbeirrt als große Friedensreligion. Ehrenmord, Kinderehe, Frauenbild, Tötungsbefehl für Homosexuelle, davon hören Sie bei unseren Kirchen nichts. Gestern erzählt mir ein Lehrer von einer Schülerin der 9. Klasse, die sagte: „Ich hoffe, der Präsident Frankreichs stirbt. Das ist ein Hurensohn.“ Oder nehmen Sie die Angehörigen des Terroropfers in Dresden, die noch nicht einmal vom Oberbürgermeister einen feuchten Händedruck bekommen. Während in Frankreich Staatspräsident Macron dem enthaupteten Lehrer Samuel Paty die höchsten Ehren der Republik zuteil werden läßt. Ich glaube, treffender als mit dieser Gegenüberstellung ist der Niedergang Deutschlands nicht zu beschreiben. Eigentlich müßte das Volk aufschreien, so weh tut das! 






Peter Hahne, wurde als Redakteur und langjähriger Moderator der ZDF-Hauptnachrichtensendung „heute“, des „heute journals“ und des Politmagazins „Berlin direkt“ sowie als Gastgeber seiner Talkshow „Peter Hahne“ bekannt. Er war Vizechef des Hauptstadtstudios und führte die „ZDF-Sommerinterviews“. Der bekennende Christ, 1952 in Minden geboren, engagierte sich 18 Jahre als Ratsmitglied der EKD. Zudem hat er sich als Kolumnist der Bild am Sonntag und Autor zahlreicher Bücher mit Millionenauflage einen Namen gemacht – darunter „Finger weg von unserem Bargeld. Wie wir immer weiter entmündigt werden“ (2016). Auch  „Schluß mit euren ewigen Mogelpackungen. Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen“ (2018) und sein neues Buch  „Seid ihr noch ganz bei Trost! Schluß mit Sprachpolizei und Bürokratie-Terror“ (2020) rangierten monatelang in den Top-Ten der Bestsellerlisten.

Foto: Ex-Nachrichtenmoderator Hahne: „Die Angehörigen unseres jüngsten Terroropfers in Dresden bekommen noch nicht einmal einen feuchten Händedruck vom Oberbürgermeister. Während Macron dem ermordeten Lehrer die höchsten Ehren der Republik zuteil werden ließ. Treffender als mit dieser Gegenüberstellung ist Deutschlands Niedergang nicht zu beschreiben“

 


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