© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/20 / 06. November 2020

Die Gründerväter drehen sich im Grab um
US-Präsidentschaftswahl: Präsident Trump wittert den großen Wahlbetrug / Richter haben das letzte Wort bei der Wahlentscheidung
Liz Roth

Die Ausgangswahlen am Dienstag abend fielen noch eindeutig zugunsten von Joe Biden aus. Genauso wie schon für Hillary Clinton im Jahr 2016. Die New York Times gab bereits vor Schließung der Wahllokale an, daß Herausforderer Joe Biden eine über 60-Prozent-Chance habe, das Weiße Haus im Januar zu übernehmen. Auch die großen amerikanischen Meinungsforscher wie FiveThirtyEight und Rasmussen sahen nur eine kleine Chance für Donald Trump, eine zweite Amtszeit zu gewinnen. 

„Biden ist favorisiert, um zu gewinnen, aber es ist ein schmaler Grat zwischen einem deutliche Sieg und einem Nägelkauen“, äußerte sich der Chef von FiveThirtyEight, Nate Silver, am Wahlabend.

Die Wahlbeteiligung war selten so hoch 

Einmal mehr zeigen die Wahlergebnisse, daß die Experten und die Umfragen geirrt hatten, denn der Abend des 3. Novembers und die Morgenstunden des folgenden Tages wurden zu einem wahrhaftigen Krimi, der gegen drei Uhr in der Früh von der Regierung erst mal auf Eis gelegt wurde, da sie viele Unstimmigkeiten in wichtigen Staaten sah.

„Wir waren dabei, alles zu gewinnen, und plötzlich wurden die Zählungen aufgegeben. Das ist ein Betrug an dem amerikanischen Volk, eine Blamage für unser Land. Offen gesagt haben wir diese Wahl gewonnen. Das ist ein großer Betrug. Wir gehen jetzt sofort zum Obersten Gerichtshof. Wir wollen, daß das aufhört. Für mich ist dies ein sehr trauriger Moment. Was mich betrifft, so haben wir diese Wahl bereits gewonnen“, erklärte Präsident Trump bei seiner Ansprache um 2.30 Ortszeit im Weißen Haus. Einige Stunden früher hatte sich Joe Biden bereits geäußert und verkündet, daß er warten wird „bis alle Stimmen gezählt sind“, aber er von seinem Sieg ausgehe. „Wir haben ein gutes Gefühl, wo wir jetzt stehen.“

Demokraten werteten Trumps Ansprache als „verlogen“. Laut CNN-Reporter Jim Acosta würden sich „die Gründerväter im Grab umdrehen“, wenn sie das Verhalten und den Vorwurf des Betrugs’ von Trump hören würden. 

Entgegen allen Erwartungen hatten die republikanischen Wähler sich am Wahltag doch noch für Trump entschieden. In vielen Staaten hatte die vorzeitige Stimmabgabe darauf hingedeutet, daß mehr registrierte Demokraten als Republikaner an den Urnen erschienen waren. Lange waren nicht so viele Stimmen abgegeben worden wie bei dieser Wahl; weit über 130 Millionen Stimmen waren es insgesamt, und die Wahlbeteiligung war selten so hoch. 

Die „Schlachtfelder“ der Nacht waren wieder einmal die traditionellen Produktions- und Arbeiterbezirke in Michigan, Wisconsin und Pennsylvania, die historisch dazu tendieren, die Demokraten zu wählen. Bereits vier Jahre zuvor hatte Trump hier gewonnen. Auch diesmal waren sie stark umkämpfte Staaten, und beide Kampagnen hatten in den letzten Abschnitten des Wahlkampfes viel Zeit dort verbracht, um noch möglichst viele Stimmen zu gewinnen. 

Die Demokraten und die Experten waren davon ausgegangen, daß die Staaten des sogenannten „Rostgürtels“, ehemalige Industriezentren, sich dieses Mal für Joe Biden entscheiden würden. Doch einige Stunden später sah alles anders aus, und Trump hat einen großen Vorsprung in allen drei. „Biden ist hier zusammengebrochen. In Michigan liegt er 300.000 zurück, in Pennsylvania 750.000. Aber die Demokraten und die Medien wollen den Eindruck erwecken, daß es in diesem Rennen keinen Sieger gibt, so daß es bei einem Rechtsstreit so aussieht, als ob sie das nur bestätigen wollten“, analysiert der Politikberater Dick Morris beim konservativen TV-Sender Newsmaxx TV. Auch North Carolina und Georgia, trotz positiver Zahlen für die Republikaner, wurden in der Nacht nicht entschieden. 

Zuvor hatte sich Trump Iowas sechs Wahlmänner, die essentiel für die Republikaner sind, gesichert. Auch Ohio, der Staat, der zweimal für Obama stimmte, manifestierte sich erneut als solider republikanischer Staat. Trump gewann hier mit erstaunlichen acht Punkten Vorsprung zu Biden. Florida war anfangs noch umstritten. 

Obwohl Präsident Trump lange Zeit mit über 300.000 Stimmen vorne lag, wurde ihm der Sieg von den Medien nicht zugesprochen. Er bekam den Zuschlag schließlich in den frühen Morgenstunden und gewann mit drei Prozentpunkten Vorsprung. „Florida hätte schon vor Stunden entschieden werden müssen. Was machen die Medien da“, fragte sich die konservative Onlineplattform Dailywire. 

Bidens Kampagne hatte gehofft, daß die Wähler von den Possen von Donald Trump und seiner Regierung so befremdet sein würden, daß sie in großer Zahl gegen ihn und das, wofür er steht, stimmen würden. 

Und selbst in den traditionellen „roten Staaten“ konnte Biden viele Stimmen dazugewinnen. In Arizona und Georgia, die einst Hochburgen der Republikaner waren, war es diesmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen. „Trump hat einen großen Fehler in Arizona gemacht, er hat die McCains gegen sich aufgebracht, und das wird ihn den Staat kosten“, kommentierte Ben Shapiro von Dailywire. Die Witwe des 2018 verstorbenen republikanischen Urgesteins John McCain und Ex-Senators aus Arizona hatte sich für Biden ausgesprochen, da Trump in der Vergangenheit immer wieder abwerten über ihn gesprochen hatte.  

Auch im Senat ließen die Republikaner Federn

Auch im Senat verloren die Republikaner einen Sitz und waren nicht in der Lage, ihre Mehrheit auszubauen. Das Repräsentantenhaus konnten sie trotz einiger Zugewinne in der Wahlnacht nicht zurückgewinnen. Die letzten offenen Sitze waren sehr knapp beieinander und sollten erst viele Stunden später vollständig ausgezählt sein.

Die Stimmung war allgemein verdrießlich. Twitter und Facebook zensierten Posts von Trump und vielen anderen konservativen Kommentatoren, die die Wahl eigentlich schon für gewonnen sahen. 

„Wenn die Medien und die Wahlkommission ihren Job machen würden, hätte Trump Michigan, Pennsylvania und North Carolina in der Tasche, und wir hätten das ganze Drama nicht,“ kritisierte der beliebte Youtuber Steven Crowder und verabschiedete sich bei seinen Zuschauern ohne ein Endergebnis, das auch der JUNGEN FREIHEIT am Mittwoch vormittag nicht vorlag.