© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

Grüße aus Rom
Streit um Sternenkinder
Paola Bernardi

Im November gleichen die Friedhöfe von Rom wahren Ausflugsorten. Von andächtiger Stille keine Spur. Die Menge schiebt sich laut diskutierend durch die schmalen Gehwege, beladen mit mächtigen Chrysanthemen-Sträußen zu den Gräbern. Der Tod, der ja in Rom überall auf Schritt und Tritt präsent ist, macht den Bewohnern keine Angst. Wird ein Toter im Sarg nach der Messe aus der Kirche getragen, applaudiert die Menge; denn er ist nun frei, hat es geschafft.

 Friedhöfe sind längst auch zum Statussymbol geworden. Wer allerdings kein Geld und keine Beziehungen in Rom hat, der landet am Ende seines Lebens auf dem „Cimitero Flaminio“. „Prima Porta“ (Erste Tür) nennen die Römer diesen Friedhof, der erst 1941 eröffnet wurde. Hier entstand eine riesige moderne Totenstadt, die mit ihren hohen mehrstöckigen Totenhäusern den tristen römischen Vorstädten gleicht. 

„Es ist furchtbar für mich, daß mein Fötus mit christlichem Ritus begraben wurde.“

Auf Schiebeleitern muß man klettern, wenn man seinen Toten im Schubfach finden will. Auf diesem Friedhof gibt es einen „Giardino degli Angeli“ (Garten der Engel), eine gewaltige Parzelle, wo verstorbene Kinder liegen. Mini-Gräber mit rosa oder hellblauen Zäunchen und mit Spielzeug geschmückt. Daneben breitet sich eine große Fläche mit Hunderten von simplen Metallkreuzen auf Rasengrund aus, auf denen schwarze Tafeln mit weiblichen Namen und einem Datum geschrieben sind. Es ist die Beerdigungsstätte der abgetriebenen Föten, in Deutschland auch Sternenkinder genannt. 

Über Nacht ist in Rom eine heiße Debatte über diese Stätte ausgebrochen. Einige Frauen fühlen sich an den Pranger gestellt. Denn nur per Zufall hatte die Römerin Francesca N. ihren eigenen Namen auf einem Metallkreuz entdeckt; sie hatte aus gesundheitlichen Gründen 2019 im sechsten Monat abgetrieben. Zwar habe sie vor dem Abbruch verschiedene Dokumente unterzeichnet, doch wissentlich keiner christlichen Beerdigung zugestimmt. „Ich bin Atheistin, und es ist furchtbar für mich, daß mein Fötus mit christlichem Ritus begraben wurde und ich nun meinen Namen lesen muß“, so Francesca.

 Inzwischen haben sich rund 120 Frauen zusammengetan, und eine Sammelklage wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte eingereicht. Im Fokus steht der Verband „Zum Schutz des Lebens mit Maria“ (ADVM). Dieser beruft sich auf ein Gesetz von 1979, das besagt, wenn nicht innerhalb von 24 Stunden Einspruch erhoben werde, eine „charitative“ Bestattung des Fötus erfolgen müsse.