© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

Niedrigzinsen zwingen Anleger ins Risiko
Vermögensanlagen: Trotz der Corona-Krise scheint Private Equity wieder im Kommen / „Liquiditätsspritze“ für die Lufthansa?
Martin Krüger

Reale Minuszinsen, überteuerte Immobilien und Aktien, magere Dividendenrenditen, Mietendeckel – das zwingt Investoren in riskantere Beteiligungen. Das zeigt die Studie „Private Equity als Anlageklasse“. Gut zwei Drittel der Befragten würden in den nächsten zwei Jahren mehr Vermögen in außerbörsliches Eigenkapital (Private Equity/PE) fließen lassen. Mehr als 5.000 deutsche Firmen mit 1,1 Millionen Beschäftigten haben in den vergangenen Jahren schon Bekanntschaft gemacht mit Beteiligungskapital – Tendenz steigend.

Als Zielrenditen werden neun bis zehn Prozent genannt. Etwa die Hälfte der Befragten strebt eine Nettorendite von mehr als acht Prozent an. Bei der Umfrage unter 61 professionellen Investoren handelt es sich um ein Gemeinschaftswerk der Handelshochschule Leipzig, des PE-Branchenverbands BVK und der Staatsbank KfW. Die Umfrage wurde im ersten Quartal 2020 durchgeführt und damit vor dem ersten Corona-Shutdown. „Covid-19 könnte für viele Gesellschaften zum Realitätstest werden“, prognostiziert das Private Equity Magazin.

Die Transaktionen auf dem deutschen PE-Markt sind laut einer Auswertung des Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) im ersten Halbjahr zwar von 112 auf 94 „Deals“ zurückgegangen – allerdings verdreifachte sich der Transaktionswert auf 24,2 Milliarden Euro. Davon entfielen allein 17,2 Milliarden Euro auf den Verkauf der traditionsreichen Aufzugssparte Thyssenkrupp Elevator an ein Konsortium der PE-Firmen Advent International (Boston) und Cinven (London) sowie der RAG-Stiftung. Der Hamburger Versandhändler Otto veräußerte Anteile am Tochterunternehmen Hermes an den Bostoner PE-Investor Advent.

Weltweit 1,5 Billionen Dollar unter Anlagedruck

„Die Corona-Pandemie hat im ersten Halbjahr den deutschen Private-Equity-Markt bestimmt. Die Finanzinvestoren waren zunächst zurückhaltend, weil die Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Unternehmen noch nicht richtig abzuschätzen waren. Zahlreiche Deals wurden daher auf Hold gesetzt“, erklärte PE-Expertin Sandra Krusch von EY. Mit den Finanzergebnissen des zweiten Quartals könnten Investoren diese Auswirkungen nun besser beurteilen.

Acht von zehn Investoren haben laut Studie ihre Private-Equity-Anteile seit 2016 ausgebaut oder erstmals in diese Anlageklasse investiert. 43 Prozent der befragten Unternehmen steigerten ihre Investments sogar um mehr als 15 Prozent in den vergangenen Jahren. Dabei macht ihr Anteil am Gesamtportfolio der Umfrageteilnehmer rund sieben Prozent aus. Versicherungen sind darunter mit etwa zwei Prozent engagiert, während Familienunternehmen sogar 13 Prozent ihrer Vermögenswerte in PE plazieren.

Auffällig ist, daß mehr im Ausland als in Deutschland investiert wird. Erstaunlich bei reduzierter Reisetätigkeit und teilweisen Zusatzrisiken außerhalb des Heimatmarktes. Allerdings sind die großen der PE-Zunft die in London beziehungsweise den USA ansässigen Firmen wie Carlyle oder KKR. Blackstone (New York) besitzt laut Tagesspiegel über verschachtelte Beteiligungen sogar 3.700 Wohnungen in Berlin.

Derzeit verfügen die Beteiligungshäuser nach der Berechnung des Analysehauses Preqin Ltd insgesamt über rund 1,5 Billionen Dollar mit steigender Tendenz, berichtete das Handelsblatt. Die anhaltende Niedrigzinsphase verstärkt den Anlagedruck. Schließlich müssen auch Managementprovisionen von jährlich rund zwei Prozent erwirtschaftet werden. Zielobjekte finden sich im Pharma- und Gesundheitssektor und den Branchen Software, Technologie, Infrastruktur, Spezialchemie und im Servicebereich.

Wegen des dramatischen Rückgangs der Passagierzahlen denkt Konzernchef Carsten Spohr sogar über einen Teilverkauf der Wartungstochter Lufthansa Technik nach. „Unternehmen brauchen in der jetzigen Situation Liquiditätsspritzen sowie einen Sparringspartner, um ihre Geschäfte zu stabilisieren und ihre Lieferketten zu managen“, erklärt EY-Expertin Krusch. „Gut aufgestellte Finanzinvestoren können genau dies leisten. Hinzu kommt, daß viele Deals, die zunächst ausgesetzt wurden, weiterhin in der Pipeline sind. Sofern die Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht gravierender werden, dürfte der Private-Equity-Markt im weiteren Jahresverlauf Fahrt aufnehmen.“

„Private Equity als Anlageklasse für institutionelle Investoren und Family Offices in Deutschland“:

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