© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

Doch Rettung naht ...
Konkurrenz für die Presse: Neben Zeitungen positionieren sich weitere Anbieter journalistischer Inhalte
Christian Schreiber

Lange Zeit haben sich führende deutsche Zeitungen schwer damit getan, ihre (lokalen) Nachrichten hinter einer Bezahlschranke zu verstecken. Doch nach der Erkenntnis „Echter Journalismus muß etwas wert sein“ stellen die Verlage zunehmend auf bezahlpflichtige Abonnements im Netz um. Blogs, aber auch Online-Netzwerke, Initiativen und Mail-Anbieter haben sich jedoch längst als konkurrierende Anbieter journalistisch aufgearbeiteter Inhalte etabliert.

Die Ursprünge der Lokal-Blogs liegen bereits mehr als zehn Jahre zurück. Der Journalist Hardy Prothmann prägte 2009 den Begriff „Bratwurstjournalismus“ und gründete in seiner baden-württembergischen Heimat Heddesheim eine eigene Nachrichtenseite, weil ihm die Berichterstattung der Tageszeitungen zu „bratwurstmäßig“ sei. „Viele Alternativprojekte versuchten damals, die Lokalberichterstattung aus ihrer Verengung auf die berüchtigten Hasenzüchtervereinsversammlungen zu holen; selbst zu recherchieren, statt die Agenda der Vereine und des Rathauses vor Ort zu übernehmen“, beschreibt der Mitteldeutsche Rundfunk die Anfangszeiten der Blogger.

Karriere- und Mailportale bieten Artikel an

Heute hat sich eine bundesweite Szene etabliert, und Geld kann man mit den Alternativ-Angeboten auch verdienen. Eines der größten Projekte sind die ruhrbarone.de. Es wurde bereits 2007 von fünf hauptberuflichen Journalisten gegründet, die die Seite mit Ruhrgebiets-Nachrichten zunächst quasi als Hobby betrieben. Heute finanziert sich das Blog über Anzeigen und Spenden.

Und es hat Nachahmer gefunden. Der ehemalige Online-Leiter der Sächsischen Zeitung, Thomas Wolf, hat die Blogger-Plattform diesachsen.de gegründet, die unterschiedliche Nachrichtenangebote bündelt. Eines ist den Bloggern gemein, sie betonen ihre Unabhängigkeit: Ein großer Verlag habe andere Abhängigkeiten, beispielsweise von großen politischen Strömungen, als ein kleines lokales Medium. Allerdings stoßen Linke mit Kiezseiten wie Connewitz-Blog oder neuen Angeboten wie correctiv.org/lokal verstärkt in die Lokalberichterstattung vor.

Blogs müssen dabei nicht für eine politische Sache sein. Ein interessantes Phänomen läßt sich derzeit im Umfeld der Profifußball-Clubs beobachten. Während viele regionale Zeitungen aus Spargründen ihre Sportredaktionen ausdünnen, verzeichnen vereinsnahe Blogs teilweise Zugriffszahlen, von denen die etablierten Zeitungen nur träumen können. Während diese Projekte in der Regel nicht kommerziell sind, ist auf anderen Kanälen der Kampf um Werbeanzeigen und Verweildauern längst entbrannt. So bieten Mail-Anbieter wie Web.de oder GMX, aber auch die Suchmaschine Yahoo kostenlose Artikel aus den Bereichen Sport, Wirtschaft und Politik an und locken damit Kunden auf ihre Seiten. Auch Karrierenetzwerke wie Xing oder LinkedIn verfahren nach diesem Prinzip. „News machen wir natürlich, um die Nutzerinnen und Nutzer auf der Plattform zu halten, um die Aktivitäten zu steigern und natürlich auch neue Nutzerinnen hinzuzugewinnen“, erklärt Xing, das ebenso wie der Konkurrent eine eigene Redaktion unterhält. Hinzu gekommen sind Online-Stadtmagazine wie mitvergnuegen.com, das in Berlin, Hamburg, München und Köln aktiv ist. An ein junges Publikum gerichtet, schreiben und podcasten sie nicht nur über Ausflugstips und neueröffnete Restaurants, sondern behandeln auch gesellschaftspolitische Themen wie Corona, Armut oder Hausbesetzungen.

Um die eigenen Anliegen in die Öffentlichkeit zu bringen, betreiben zudem einige NGOs presseähnliche Arbeit. „Für den Weißen Ring ist es existentiell wichtig, daß er und seine Arbeit sichtbar sind“, sagt der frühere Chefreporter der Nordwest-Zeitung und jetzige Kommunikationschef der Hilfsorganisation, Karsten Krogmann, den Kress News. Diese Sichtbarkeit sei „immer schlechter mit den konventionellen Mitteln der Pressearbeit herzustellen, weil uns Veränderungen der Medienlandschaft bisherige Zugänge mehr und mehr versperren“. Deshalb baue er „derzeit die notwendigen Online- und Social-Media-Plattformen“ auf, um die „Inhalte für verschiedene Zielgruppen in Wort, Bild und Ton aufbereiten und anbieten zu können“.

Lange Zeit ein Ärgernis für die Presse war das Gebaren des Datenriesen Google, der jahrelang kostenlose Inhalte von Verlagen verbreitete und damit ein Riesengeschäft machte. Anfang Oktober startete der US-Konzern nun gemeinsam mit zwanzig deutschen Medienkonzernen (unter anderem FAZ, Zeit, Spiegel) das Nachrichtenangebot „News Showcase“ mit Inhalten, für die das Internetunternehmen erstmals in seiner Geschichte Lizenzgebühren zahlt – immerhin bis zu einer Milliarde Euro insgesamt. Der Verlegerverband BDZV ist dennoch auf den Barrikaden: „Die Geldausschüttung an Verlagshäuser erfolgt nach Gutsherrenart.“ Um die Medien zu unterstützen, will das Wirtschaftsministerium nun die vom Bundestag im Sommer beschlossene Verlagsförderung umsetzen. Gebunden an die „aktuelle Reichweite oder Auflage“ sollen Abonnementzeitungen, Zeitschriften und Anzeigenblätter insgesamt 220 Millionen Euro für Investitionen in die Digitalisierung erhalten. Nach einer Abstimmung mit der EU-Kommission sollen kommendes Jahr die ersten 180 Millionen Euro fließen. Der Deutsche Journalisten-Verband und die Grünen kritisieren, daß von dem Vorhaben lediglich die großen Verlage profitierten, während für kleinere Unternehmen kaum etwas übrigbleibe.